No rush! Inner Stories – ein Adventsexperiment.

Können wir unsere inner stories verändern?

Mein Selbstexperiment über die Geschichte “Zeit ist knapp”.

Ich renne nicht! Das habe ich mir für den Dezember fest vorgenommen. Doch es ist mehr als ein Vorsatz. Wie es dazu kam steht hier. Wie mir mein Experiment Tag für Tag gelingt, schreib ich für dich auf. Der aktuellste Tag steht immer ganz oben.

Freitag 23. Dezember

Es ist wundervoll kitschig, dabei so echt und einfach großartig. Während ich diese Zeilen am Küchentisch tippe, schneidet meine Mutter den Rotkohl für das traditionelle Weihnachtsessen. Morgen bei den Klößen kommt es unbedingt auf das richtige Timing an, da gehört ein bisschen Hektik dazu. Doch heute hat alles Zeit, kein bisschen Eile.

Wenn wir auf dem Markt Bekannte treffen, bleiben wir stehen und schnacken. Wir nehmen uns Zeit beim Essen, klönen, gucken Märchenfilme und sind EINFACH nur zusammen. Dieses EINFACH hat in den letzten Jahren einiges an Arbeit, viele Gespräche und auch hin und wieder Tränen gekostet. Doch dafür gibt es nun schon lange keine Weihnachtsdramen wie in anderen Familien mehr. Heute fühle ich mich gesegnet mit Eltern, mit denen ich alles besprechen kann. Wo wir nichts mehr zurückhalten sondern auch schwierige Themen auf den Tisch kommen dürfen. Jenseits allen Weihnachts-Werbe-Kitschs freue ich mich von Herzen, Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Doch in mir ist nicht alles eitel Sonnenschein.

Ich habe noch keine einzige Weihnachtskarte geschrieben, kann die innere Unruhe nicht vollständig unterdrücken, wenn ich die Grüße von anderen lese oder die Jahresrückblicke auf LinkedIn. Sollte ich nicht auch? Ich atme die Unruhe weg und frag mich, welche Inner Stories mich so arg triggern.

Dankbarkeit und Verbundenheit, die ich gern ausdrücken will? Schlechtes Gewissen, weil es alle tun – nur ich nicht? Das schlechte Gewissen, weil ich nicht schon längst damit angefangen habe, und vermutlich Menschen vergessen werde, die mir auch am Herzen liegen? Oder weil sich das nach Faulheit anfühlt, und Faulheit bisher in meinem Lebenskonzept nicht vorkam? Oder weil ich dann Chancen für 2023 verpasse? Na gut, ein bisschen Vorfreude auf den DeepDive am 4.1.23 habe ich schon gestreut.

Aber alles andere? Natürlich könnte ich…, die Zeit ist da. Noch einmal tief durchatmen und mich entscheiden, hier zu sein. Es ist alles eine Frage der Entscheidung, oder? Dass ich noch nicht wirklich ruhig bin, das halte ich jetzt einfach mal aus.

Donnerstag 22. Dezember

Ich spaziere durch die Stadt aus der ich komme, und doch nicht mehr zu Hause bin, genieße es, freie Zeit zu haben, absolut nichts tun zu müssen. Mit einer guten Freundin aus Schulzeiten trödle ich durch Dresden. Ich schaue in Gesichter, entdecke ehemals vertraute Orte ganz neu. Die Stadt hat sich so sehr verändert. Manchmal stehe ich da wie ein Kind dem Puzzlestück Nr. 1.001 in der Hand. Das 1.000 Teile-Puzzle liegt längst vollständig auf dem Tisch, mein Stück ist zu viel, findet keinen Platz mehr.

So viele Erinnerungen an gestern vermischen sich mit der Intensität des Jetzt. Könnte ich mir vorstellen, noch hier zu leben? Nein. Doch es ist schön zu Besuch zu sein. Zeit zu haben, sich treiben zu lassen.

No rush im Advent Katrin Klemm Storytelling

Montag 19. Dezember

Na das ist doch mal ein ganz besonderes Erlebnis von Stillstand. Die offizielle Wetterwarnung vor eisglatten Straßen macht die Entscheidung leicht. Wir verlängern unseren Aufenthalt in Karlsruhe um eine weitere Nacht, es ist sicherer. Es fühlt sich völlig entspannt und selbstbestimmt an. Mit unserer Herberge vor Weihnachten hätten wir es viel schlechter treffen können.  Denn auch wenn das Hotel Santo baulich schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist, es bleibt charmant und hat wohlwollendes herzliches Personal, das sich beim Frühstück Zeit für einen Schnack nimmt und auch nachts um 2 Uhr noch eine Wärmflasche besorgt.

Sonntag 18. Dezember

Karlsruhe. Sankt Stephan. Die Weihnachtsgeschichte heute.

Zeit haben. Hinschauen. Entdecken. Nachdenken zulassen.

No rush im Advent Katrin Klemm Zeit Stories zu erleben

Freitag 16. Dezember

Abstand von Orten, an denen wir zu arbeiten gewohnt sind, weckt oft den Blick auf ganz neue Details. Heute verlasse ich meinen Schreibtisch zum letzten Mal 2022 und mache mich auf die Reise in die Feiertage zum Jahreswechsel. Das heißt nicht, dass es nichts mehr zu tun gibt. Das heißt für mich eher Orte zu finden, an denen ich Lust habe, das eine oder andere noch zu erledigen.

Es heißt auch, mich einzulassen auf eine Zeit ohne Taktung, auf inneres Erleben, wann was dran ist. Auf der Reise gibt es immer Geschenke zu entdecken, sobald ich es mir erlaube mir für die Schönheit in den Details Zeit zu nehmen. Wirklich hinzusehen. Im Hier und Jetzt zu sein.

Katrin Klemm no rush im Advent - Storytelling - Selbstexperiment Blick für Details

Donnerstag 15. Dezember

Du denkst, schlimmer geht’s nicht. Dann entdeckst du, dass du dich geirrt hast.

Aus dem Mittwoch war noch ein super Tag geworden. Er war lang, intensiv. Mit Coaching und Newsletter und Schreibkurs. 23:00 Uhr  ich war gerade dabei den Rechner runterzufahren, entdecke ich eine freundliche Mail von Austrian Airlines, dass von unseren Rückflügen aus Thailand einer gecancelt wurde (und  keiner der anderen Anschlussflüge mehr passt). Wir sollten uns im Service-Center melden. Na gut, dachte ich, machste gleich.

Du weißt vermutlich, wie Wartelistenmusik klingt. Nach 60 Minuten war ich noch der Meinung (ich war von Warteplatz 77 auf 44 vorgerückt), die der Lufthansa könne ich ganz gut aushalten. Nach 90 Minuten war ich leicht genervt (inzwischen Platz 7). Nach 116 Minuten wollte die Dudelmusik mir wohl was Gutes tun und die Verbindung brach ab. Was hätte ich in dieser verschenkten Lebenszeit alles tun können. Neiiiin, ruhig und entspannt war ich da nicht mehr und an entspanntes Einschlafen nicht mehr zu denken.

Ich sende den Newsletter raus, da kommt zu den geplanten Jobs noch die Steuererklärung 21 reingeflattert und will geprüft werden. Eine ganz wunderbare Klientin hängt heute in den Seilen. Wir vertagen uns (im begründeten Ausnahmefall bin ich da sehr unkompliziert). Diese zwei Stunden nutze ich dann, um doch wirklich beim achten Versuch einen echten LH-Menschen an die Leitung zu bekommen und 35 Minuten später habe ich neue Tickets. Geht doch… aber ich bin sowas von platt. Und renne gefühlt ganz heftig im Moment.

Fast bin ich versucht, mein Selbstexperiment aufzugeben. 15:30 Uhr Mittagessen. Nudeln helfen immer.

Und dann gebe ich mich geschlagen. Es werden Dinge liegenbleiben, die nicht liegen bleiben sollten. Doch morgen Vormittag verlasse ich meinen Schreibtisch. Und ich könnte jetzt meine Netzwerkverabredung absagen und bis Mitternacht durchrocken. Mach ich nicht. Echte Menschen sind einfach wichtiger.

Mittwoch 14. Dezember

2:30 Uhr och nö, ne? Um diese Uhrzeit über Themen und Formulierungen für den ungeschriebenen Newsletter nachzudenken – völlig überflüssig. Und doch liege ich wach.

5:00 Uhr “Wie soll ich das alles noch bis zum Jahresende hinbekommen?” Gedanken kreisen unablässig. Und ich weiß, dass es so vielen von euch genau so geht. Ich habe kein Patent dafür. Ich experimentiere nur.

8:00 Uhr – die Vögel lärmen vor dem Fenster. Na gut, wenn es sein muss… Dabei ist es doch so schön warm und kuschlig unter der Decke. Meine Gedanken wandern zu jenen, die so weit davon entfernt sind, meinen einfachen Luxus zu genießen. Menschen auf der Straße überall, Kinder und Frauen… Ich unterstütze in diesem Jahr Tatjana Kiel und Dörte Kruppa, die mit ihrer Initiative #WeAreAllUkrainians Unglaubliches geleistet haben. Hast du noch Weihnachtsgeld übrig, HIER ist es gut aufgehoben.

Die Stimme meiner Großmutter im Kopf “Reiß dich zusammen!” (ehrlich gesagt, hat sie es noch drastischer ausgedrückt). Doch mein STOP ist laut. Denn Zusammenreißen gehört in die Kiste mit den old stories. Heute weiß ich, dass ich entscheiden kann. Ich entscheide mich, aufzustehen – ich werde sehen, was alles in diesen Tag passt.

Dienstag 13. Dezember

Ich bin kurzsichtig und muss deshalb hin und wieder für eine Durchsicht 😉 zur Augenärztin. Um den Augenhintergrund sehen zu können, bekomme ich Tropfen, die die Pupillen erweitern – in der Zeit kann ich nicht viel sehen. Und noch weniger tun. Es hat sich gelohnt. Angeblich habe ich nicht nur den schönsten Augenhintergrund, den sie seit Jahren gesehen hat (ab heute denke ich “Innere Schönheit” ganz neu) sondern ich habe auch ausgehalten, nichts zu tun.

Zugegeben – es hat sich sehr nach Hölle angefühlt. Denn eigentlich wollte ich heute den letzten Newsletter des Jahres mit den Weihnachtsgeschenkrabatten zur LifeStory in Portugal und vier neuen SchnupperWorkshops zum Minipreis versenden. Doch da ich – 20:15 Uhr, draußen stockdunkel – noch immer mit Sonnenbrille vor dem Monitor sitze, wird das heute nichts mehr. Langsam wird’s eng mit der Arbeitswoche. Ich halte das aus, ich halte das aus, ich ooom… No rush ist manchmal viel schwerer als gedacht.

Sonntag 11. Dezember

Der kleine König Dezember – nach 15 Jahren zum letzten Mal im Goldbek-Haus. Ein Abschied. Doch dank des Stückes immer wieder Neubeginn. Denn da sind noch sehr viele Träume in sehr vielen Schachteln.

In den letzten Stunden des Sonntags schaffe ich dann alle – wirklich alle Stapel wegzuräumen. Und das in Ruhe. Am Sonntag. Schau mal an, was alles geht, wenn die Zeit knapp ist.

Samstag 10. Dezember

Das no rush Experiment zeigt Folgen. Im Büro stapeln sich die Stapel. Das halte ich gerade nicht so gut aus.

Freitag 9. Dezember

Meine kleine Schwester heiratet. Jetzt aber wirklich. Was vorher geschah

Donnerstag 8. Dezember

Wieso ist es schon so hell, als ich aufwache? Mist, verpennt. 40 Minuten bis Altona, heute ist mein letzter Kurstag im Lotsenhaus bei Hamburg Leuchtfeuer. Das schaffe ich nie. Es sei denn, ich renne. Doppelchallenge. Renne ich oder nicht? Halte ich es aus, zu spät zu kommen? Oder renne ich doch, ergreife ich den Zipfel der Chance, in letzter Sekunde pünktlich zu landen? Also Ausnahme: ich renne.

Ab Hauptbahnhof fährt die S-Bahn Umleitung. 2 x Umsteigen bis Altona. Glückwunsch, Rennen lohnt sich nicht.

Mit drei (!) Minuten Verspätung nehme ich Platz in der Gruppe. Vor dem Fenster flockt in genau diesem Moment behutsam der erste Schnee der Saison in dicken Fetzen. Die Schneefetzen trudeln gemütlich. There is no rush (so lange kein Wind sie durch die Gegend bläst). Was bläst mich bloß die ganze Zeit an?

Und als gegen Abend der Kurstag Trauerbegleitung zuende geht, hat der Begriff der Zeit in der Beziehung zu Tod und Sterben eine ganz andere Dimension bekommen. Das Rennen wird so unwichtig…

Die Zeit ist, was sie ist. Ob wir nun rennen oder nicht.

Mittwoch 7. Dezember

Zu meinen Stärken gehört es, Meetings pünktlich auf die Minute zu beenden. Das ist meine Vorstellung von Respekt vor unserer knappen Ressource Zeit dieser Tage. Am Nachmittag erlebe ich ein Kundinnentreffen ohne feste Agenda. Nur mit dem Ziel, dass alle etwas Positives daraus mitnehmen. Ziel erfüllt, Zeit 1A eingehalten, kein bisschen gerannt. Bin gespannt was sich entwickeln wird.

Abends beim Schreiben mit Barbara Pachl ist es heute nicht leicht, was aufs Papier zu bringen. Störrische Wörter. Normalerweise sind der Timer für die verbleibende Schreibzeit und ich beste Freunde. Heute zerrt er die Angst vorm Versagen auf den Tisch. Hm. Hinschauen. Akzeptieren was ist. 21 Uhr  – der Timer hat Feierabend und mein Text heute eine besondere Tiefe.

Fazit: Das ist ja interessant.

Dienstag 6. Dezember

7 Uhr – beim Aufwachen der Schreck „Bis zur Workation sind es nur noch 4 Wochen?!“ Sollte ja eigentlich ein Grund zum Freuen sein. Doch meine Gedanken rattern auf Autopilot: “Was ist bis dahin alles noch zu tun? Wie soll ich das noch unterbringen?”. Meine persönliche Notbremse ist das zu mir selbst gesprochene Mooooment. Mit vier „o“. Mindestens. Das hilft sofort. Dann sortiere ich den Tag und lege los. Ganz in Ruhe, wenn auch ohne Frühstück. War nicht hungrig, also was soll’s.

Am Abend…

Kennst du auch das Gefühl „Heute habe ich nix geschafft. Aber so viel gemacht!“? Willkommen im Club.

Dabei gab es ein intensives Coaching, direkt danach ein stärkendes Netzwerk-Date mit meiner WOL-Gruppe von 2020. Ladies ihr seid so zauberhaft – und ich schätze es enorm, mit euch seit 2 Jahren einmal im Monat ein Stück gemeinsam zu gehen. Da ist so viel Ruhe drin, da muss nichts, da darf alles ausgesprochen werden.

Am Nachmittag dann Sichtgläser für die Tauchmaske (Workation!), Balkonblumenkästen in den Keller, neuen Drucker angeschlossen – das flutscht heute in Ruhe völlig problemlos, auch wenn die Technik sonst nicht immer mein Freund ist.

Jetzt setze ich mich in Ruhe an den Schreibtisch und schau genauer hin, was ich alles erledigt habe. Weil es dran war. Weil ich mich entschieden habe, es genau so zu priorisieren.

Fazit: Fühlt sich gut an, so viel Klarheit. Ruhig. Trotz Schreck in der Morgenstunde.

Montag 5. Dezember

Der Kalender für die vorletzte Arbeitswoche ist voll. Meine Versuchung, drei Gänge hochzuschalten pulsiert.

12:00 Uhr mittags – und schon sehen die nächsten 3 Tage wieder ganz anders aus als geplant. Ich atme durch: Das wird scho.

Beim Essen am Nachmittag dann kalter Entzug. Fies! Die Gabel noch im Grünkohl, bin ich in Gedanken längst aufgestanden, um “mal eben schnell” den Espresso anzustellen. Kann ja kochen, während ich … Und zack, in die Rennfalle getappt. Bin froh, dass ich nicht allein esse und deshalb physisch sitzen bleibe, bis der Teller leer ist.

Klingt nach Kinderkram? Erschreckenderweise nicht. Es haut mich ganz schön um, zu spüren, wie schwer mir no rush wirklich fällt. Danach brauche ich Bewegung, geh für eine Freundin ihren Lieblingstee einkaufen. Renne zweimal, um die Ampel noch bei Grün zu erwischen. Hätte nicht sein müssen, es kommt auch wieder Grün. Doch ich halte es heute nicht aus.

Fazit: oha, das wird wohl doch nicht ganz so einfach.

Sonntag 4. Dezember

Keksbacktag mit den Kindern. Bin ziemlich spät aufgewacht. Doch was soll’s. In diesem Jahr verzichten wir auf die traditionelle Soljanka danach. Eine Suppe, die wir alle am Abend nach der Zuckerflut lieben und gut gebrauchen können. Doch die verlangt einen umfangreichen Einkauf und Stunden für die Zubereitung. Ich entscheide mich für die weltbeste Tomatensoße der Welt. In aller Ruhe. Sie ist köstlich und ich bin bis zur letzten Backminute völlig entspannt.

Samstag 3. Dezember

Heute ein Tag ganz für mich allein. Ist es eigentlich der erste in diesem Jahr? Zeit, nichts zu tun. Das heißt bei mir nicht gar nichts tun. Es heißt, mich treiben lassen und tun, worauf ich Lust habe. Heute ein schönes Frühstück, Flaschen endlich ins Altglas bringen, in meinem zweiten Wohnzimmer – der Zentralbibliothek in Hamburg – herumsitzen, mich mit meinem Franzbrötchen, dem Cappucino und vier Büchern wie ein Zwerg an dem zu hohen Tisch zu fühlen. Lieblingsespresso in der Rösterei kaufen und bei Thalia aus der Flut der Kalender einen für die Eltern auswählen. Dann verlasse ich die viel zu rummelige Innenstadt. Ganz piano.

Zu Hause einen Kakaokaffee und „Wenn Katzen Weihnachten feiern“ – entdecke die Geschichte von Kater Schmidt, der aus Tavira – meinem Herzensort der LifeStory – stammt. Kann nicht widerstehen, lese als Adventsüberraschung ein Audio für meine Teilnehmerinnen ein. Freue mich still vor mich hin. Telefoniere mehr als eine Stunde mit meiner Mutter. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.
Abends Rosenkohl mit Semmelbröseln, Knoblauch, Pfeffer  – ein Gedicht. Dazu einen Glühwein mit viel Zimt und Nelken. Versacke bei Alice – einem Film über Alice Schwarzer. Lohnt sich.

Fazit: Kein einziges Mal gerannt. Wow.

Freitag 2. Dezember

Heute geht der letzte Teil der portugiesischen LifeStory aus 22 zu Ende. Eine der Teilnehmerinnen ist heftig erkältet. Wir basteln uns ein hybrides Meeting – denn das haben die Frauen, die sich in diesem Jahr auf ihre Reise zu sich selbst – und mit mir nach Portugal gemacht haben, mehr als verdient. Es war eine intensive Arbeit, die sich gelohnt hat.

Auch wenn der Tag heute um acht begonnen und erst kurz vor Mitternacht geendet hat, wenn er lang und intensiv war: Gerannt bin ich nicht.

Donnerstag 1. Dezember

Zack, da sind sie schon. Mit der gleichen Zuverlässigkeit wie Lebkuchen ab Anfang September in den Supermärkten, trudeln die ersten Mails und Karten ein, mit besten Wünschen für einen besinnlichen, gemütlichen, friedlichen Advent mit Kerzenschein, Plätzchenduft, und Kuschelrückzug und …

Stop! Glaubt irgendjemand wirklich, was er/sie da schreibt? Hand auf’s Herz, wem gelingt denn Besinnlichkeit in den letzten Wochen des Jahres noch?

Sicher, viele schreiben und wünschen es uns. Doch wen kennst du, der/dem das wirklich gelingt… Ich bisher keine/n.

Keine Selbständige, die hektisch in den letzten Aufträgen hängt, die der Kunde unbedingt noch 22 fertigbekommen will. Keine Angestellte, die bis Jahresende neben Weihnachtsfeiern auch noch alle Projekte unter Dach und Fach bringen muss, die Budgets ausgeben, die neue Finanzplanung aufstellen. Keine Mutter – ganz gleich ob Fest oder Frei, die nicht hektisch Weihnachtsgeschenke ranschafft oder die Teenager bei ihren letzten Klassenarbeiten vor Weihnachten unterstützt. Keine Tochter, die nicht schon das komplizierte Wer-besucht-wen-wo-an-welchem-Weihnachtstag-Jenga austüftelt. Jeden Abend eine andere Veranstaltung und am Wochenende ist Großkampftag im Kekse backen.

Besinnlichkeit? Fehlanzeige.

Dabei sind viele von uns ganz schön durch mit dem Jahr.

Puh.

Ich auch.

Ich will nicht rennen. Das nehme ich mir jedes Jahr vor. Hat bisher noch nie funktioniert.

Ich werde nicht rennen. Zack, und schon erwische ich mich doch dabei, noch schnell auf den letzten Drücker, nur heute, ab morgen ist es anders…

Ich renne nicht! Mit Ausrufezeichen. Oh, das fühlt sich gut an. Denn das ist kein Vorsatz, das ist Jetzt und Hier. Ganz im Moment. Ich entscheide mich jeden Augenblick neu. Na das ist doch mal ein interessantes Experiment. Mal sehen, wie lange ich das durchhalte.

Für die Coaches und alle anderen Schlaumeier unter uns: natürlich ist ein Satz mit einer Verneinung drin kein wohlformuliertes Ziel. Aber ich will im Moment auch kein Ziel. Ich will den Weg entdecken, will ausprobieren, wie es sich anfühlt, nicht zu rennen. Bin neugierig, herauszufinden, was ich stattdessen tue. Wo die Alternativen zur adventlichen Rennerei liegen. Für mich. Und ob es die überhaupt gibt.

Stay tuned. Ich bin es auf jeden Fall.

Ist dir das alles völlig fremd? Schaffst du das mit besinnlichem Advent? Teil gern dein Geheimnis mit mir. Gleich hier in den Kommentaren.

 

 

Ja, du darfst traurig sein

Warum Trauer jetzt auch in Ordnung ist.

Wie sich Traurigkeit im Alltag integrieren lässt.

Seit ein paar Tagen ist nichts mehr, wie es war. Wir wähnten uns sicher. Kriege weit weg. Ist zwar alles schrecklich. Doch eben nicht vor unserer Haustür…

Und jetzt? Plötzlich ist alles anders…

Unruhe, Betroffenheit, Bestürzung, Hilflosigkeit, Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Mutlosigkeit, Grübeln – die vielfältigen Gesichter der Trauer. Trauer um unser Gefühl verlorener Sicherheit?

Keines dieser Gefühle ist klein. Keines neu. Doch lernen wir nur langsam sie wahrzunehmen, zu verstehen, akzeptieren und uns respektvoll und ohne Angst darüber auszutauschen.

Alltägliche Trauer ist oft unsichtbar.

Mundwinkel senken sich, über der Nasenwurzel steigen die Augenbrauen, der Blick fällt. Ohne zu wissen, was wir da sehen, berührt es uns. Untrügliche Zeichen für Trauer. Wenn Menschen sterben – so wie aktuell – sind wir sofort „im Bilde“.

Doch Trauer oder Kummer sind Gefühle, die uns im Leben häufiger begegnet als uns bewusst ist. Dabei ist Trauer eine natürliche Begleiterin in unserem Alltag. So lange wir nicht alles tun, sie zu ignorieren, verdrängen oder angestrengt zu verbergen.

Ich erlebe immer mehr Menschen, die das ständig tun, ungeachtet der Folgen, die das für unseren Körper und unsere Seele haben kann. Weil Trauer keinen (oder wenig) Raum in unserer Gesellschaft hat, weil sie anstrengend ist oder die Nicht-Trauernden hilflos macht. Kurzfristig hilft Verdrängen beim Überleben. Klar, keine/r heult gern im Büro. Was sollen denn die anderen denken?

Wie gehst du mit dem Gefühl der Trauer um?

Hör kurz deinen eigenen Gedanken zu!

  • Ich weiß nicht mehr weiter. Doch das darf keiner erfahren.
  • Ich bin die Chefin des Ladens. Ich muss den anderen Hoffnung machen.
  • Reiß dich zusammen, Tränen bringen dich auch nicht weiter.
  • Je weniger ich mich reinfallen lasse, desto schneller geht das vorbei.
  • Heulen ist was für Weicheier. Ich muss nach vorne schauen.
  • Ein Junge weint nicht. Ein ganzer Kerl schon gar nicht.

Es sind Geschichten, die wir uns selbst erzählen. Überzeugungen, die wir gelernt haben. Von unseren Eltern, Großeltern oder weiter zurück in der Generationenfolge. Wir haben diese alten Geschichten „Wie man sich im Falle von… zu verhalten hat“ mitgenommen und fragen nicht mehr nach, ob sie für uns heute noch gültig sind. Aus unseren gesamten aktuellen sozialen Leben – Jobs, Freizeit, Politik, Medien – schnappen wir täglich Stories auf von dem, was angemessen oder erwünscht ist. Wie wir sein sollten, um dazuzugehören. Oder hervorzustechen (je nachdem, was für dich gerade dran ist).

Wir pressen uns in ein Korsett von Geschichten, die andere für richtig halten. Auch im Umgang mit Trauer und Verlust. Dabei gehört Trauer zu den unvermeidlichen Erfahrungen unseres Lebens. Sie braucht Raum. Und sie braucht Zeit.

Schau deiner Trauer ins Gesicht

Anfang September lerne ich auf einer Fortbildung im Lotsenhaus Hamburg von Peggy Steinhauser, dass der Bundesverband TrauerbegleitungTrauer als eine natürliche Reaktion auf den Verlust eines Menschen, eines Tieres oder einer Sache“ definiert, „zu der eine bedeutende Beziehung bestand“. Dass selbst diese Definition erst Schritt für Schritt erarbeitet werden musste, in der Diskussion, was daran “richtig” oder “falsch” sein kann. Neugierig geworden auf die Arbeit von Trauerbegleiter*innen erfahre ich, dass es darum geht: „Trauer als eine lebensbegleitende Erfahrung anzunehmen“. Diesen Gedanken einen Tag lang nachzugehen wird zu einer spannenden (Selbst-)Erfahrung.

Eingeladen zum Brainstorming: „Wie reagierst du, wenn du traurig bist? Was tust du, wenn du etwas verloren hast?“, brauche ich eine Weile, um mich zu erinnern, in welchen Formen ich dem Verlust in meinem Leben schon begegnet bin. Denn verlieren kann man Menschen (Tiere, Dinge) nicht nur durch den Tod, sondern auch durch Beziehungen, die sich lösen, wenn du umziehst oder die Schule/ den Arbeitsplatz wechselst. Auch der Verlust von Dingen kann uns in den Abgrund der Gefühle stürzen.

Denk an das herzzerreißende anhaltende Geschrei von Kindern, die ihr Schmusetier draußen verloren haben, an ein Elternhaus, das abgerissen wurde oder ein ganzes Land, das es dem Namen nach nicht mehr gibt (DDR) oder als demokratischen Staat (Ukraine) nicht mehr geben soll.

Wann immer du eine Beziehung dazu aufgebaut hattest, die dir etwas bedeutet hat, kann Trauer entstehen, wenn der/die/das plötzlich aus deinem Leben verschwindet.

So sah mein erstes Mindmap aus.
Katrin Klemm StoryCoach - Storytelling Mindmap Trauer

Und was hast du verloren?

Plötzlich sehen wir sie überall, die Augenblicke ganz alltäglicher Trauer. Sie stehen ganz natürlich neben Momenten der Freude, der Anstrengung, des Glücks, des Ärgers… Doch Trauer ist – im Vergleich zu kochender Wut, brodelndem Ärger, überschwänglicher Freude – eher leise, still, sanft, sprachlos.

Welche Verluste kennst du aus deinem Leben? Wer/was war dir lieb und teuer und doch musstest du sie/ihn/es gehen lassen? Wenn du dich darauf einlassen willst, nimm dir einen Augenblick Zeit und gehe in deiner persönlichen LifeStory Schritt für Schritt zurück.

  • Ein Liebe, die nicht gehalten hat, obwohl sie so gut begann.
  • Ein Kind, das eine Klasse wiederholen muss und jetzt seine Mitschüler*innen verliert, obwohl du im letzten Jahr Homeschooling wirklich alles gegeben hast.
  • Ein Elternteil, das du eigentlich gar nicht kennst, weil sie/er gegangen ist, als du noch ganz klein warst.
  • Ein Haustier, das an Altersschwäche gestorben ist, nachdem es dich ein Leben lang begleitet hat.
  • Ein Kunde, dessen Erwartungen du nicht erfüllt hast und der sich einen anderen Dienstleister gesucht hat.
  • Eine Bewerbung, bei der du abgelehnt wurdest, obwohl du perfekt auf die Stelle gepasst hättest.
  • Der Bänderriss vom letzten Jahr, der dich jetzt eine Stunde für die Laufstrecke kostet, die du sonst in dreißig Minuten geschafft hast.
  • Innere Anteile in dir – vielleicht kindliche Spielfreude oder ungebremstes Vertrauen in die Welt – die sich im Laufe deines verantwortungsvollen Erwachsenenlebens vom Acker gemacht haben.
  • Nicht zuletzt all die Dinge und Begegnungen, die Reisen und Freiheiten, die uns in den letzten Monaten der Pandemie verwehrt blieben, obwohl wie sie vorher als Selbstverständlichkeit in unserem Alltag betrachtet haben.
  • Das Vertrauen, dass wir in Europa niemals einen Krieg erleben werden…

Erlaube dir deine Trauer - schau dir die Geschichte dahinter an - StoryCoaching Katrin Klemm

All das gehört zu dir. Erlaube dir zu trauern.

Du darfst den ganzen Prozess erleben. Du darfst sie spüren und sich wieder auflösen lassen. Erkennst du sie an, wird sie ihr ganzes Potential für dich entfalten. Sie wird zu einer wahren emotionalen Kraft, die dir so viel mehr ermöglicht: Mitgefühl, Tiefe, Selbstmitgefühl, #echtsein

Neue Narrative zur Trauer, die dir helfen, echt zu sein oder zu werden:

  • Jede/r trauert anders. Steh zu dem, was du fühlst. Erlaube dir, so zu sein, wie du bist. Du bist richtig.
  • Trauern ist ein Verb, ein natürlicher Prozess des Übergangs in unserem Menschenleben. So wie das Geborenwerden, wie Pubertieren, wie Sterben. Nimm dir Raum und Zeit, die du brauchst.
  • Lass dir von niemandem erzählen, wie du „richtig“ mit dieser Emotion umzugehen hast. Von wegen „das ist doch nicht so schlimm.“ Doch. Für dich ist es das in dem Moment. Oder nach sechs Monaten „das muss doch jetzt endlich mal vorbei sein“. Es dauert, so lange es dauert. Oder „das Leben muss weitergehen“. Keine Sorge, das tut es, darauf kannst du dich verlassen. Auch wenn es sich für dich im Moment nicht so anfühlt.
  • Bitte um Hilfe oder Unterstützung, wenn du es möchtest. Manche Dinge muss man mit sich allein ausmachen. In anderen Fällen hilft es, drüber zu sprechen. Sag auch deutlich, wenn du keine Ratschläge brauchst, sondern einfach nur ein Ohr zum Zuhören. Echte Freunde halten das aus.
  • Vielleicht suchst dir Geschichten, die dir helfen Gefühle von Verlust, Traurigkeit und Hilflosigkeit um eine Perspektive zu erweitern. Eine der heilsamsten Geschichten für mich im Umgang mit dem Tod wurde die Geschichte vom Gingkoblatt .

Lasst uns einander zuhören, allen Facetten der Trauer Raum schaffen und dann aufstehen und weitergehen. Zusammenstehen und für das Einstehen, das wir brauchen und schützen.

Und dann lasst uns aktiv werden. Lasst uns mit allem, was uns möglich ist. Hier hat das ZEIT MAGAZIN einen Überblick vom Möglichkeiten zusammengestellt.

 

Finanzgeschichten – Frauen, reden wir über Geld.

Frauen und Geld. Darüber gibt es viele Geschichten. Die wenigsten Finanzgeschichten sind heiter. Das muss sich ändern.

Deshalb spreche ich als StoryCoach mit einer Fachfrau für finanzielle Selbstbestimmung über:

  • Stop- und Flow-Stories in Sachen finanzielle Freiheit
  • den Zufall und den Glücksfall
  • das Wesen einer echten Finanzheldin und die schlimmsten Wegelagerer auf ihrer Heldenreise
  • Zeit, die Geld ist und
  • einen Raum, in dem Finanzen richtig lecker werden.

Monika Borchert setzt als Finanzexpertin und zertifizierte Vorsorge-Beraterin seit mehr als 30 Jahren auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren Klientinnen. Auch wenn wir alle wissen, dass in der heutigen Zeit nichts mehr wirklich sicher ist, tritt Monika an, das Sicherheitsgefühl ihrer Klientinnen zu erhöhen. Dazu nutzt sie nicht nur fachliche Erfahrungen und strategische Kompetenz. Sie hat ein Einfühlungsvermögen, bei dem du dich als Kundin – ich spreche aus eigener Erfahrung – wirklich sicher begleitet fühlst.

Stop- und Flow-Stories

Es geht um Stop-Stories, diese inneren Selbstgespräche, mit denen wir Frauen zuverlässig unsere finanzielle Freiheit und Unabhängigkeit verhindern. Das beginnt bei: „Ach, das Thema Geld. Ja, da kümmere ich mich irgendwann mal drum“. Und um Flow-Stories, die dafür sorgen, dass sich nicht nur meine Gedanken über Geld ändern. Die mich ins Handeln bringen und die Mauern einreißen lassen, die ich mir selbst im Kopf hochgezogen habe.

Du willst das Interview lieber hören oder sehen? Hier geht’s zu Vimeo.

Geldanlage und Altersvorsorge sind ja traditionelle Männerthemen. Der Begriff des Finanzberaters ist deutlich etablierter als der der Finanzberaterin.

Monika, wie kam es bei dir vor mehr als 30 Jahren zu der Entscheidung, dich diesem Thema zu widmen? War es eine Erleuchtung? Oder kam das eher nach und nach?

Jeder, der mich kennt weiß, dass ich heute das Thema Planung immer vorn anstelle. Deshalb ist es fast ein bisschen peinlich zuzugeben, dass bei mir damals überhaupt nichts geplant war. Ich bin mit neunzehn zu Hause aus- und zu meinem Freund gezogen. Ich habe keine Ausbildung gemacht. Aber bin dann arbeiten gegangen damals bei Gruner und Jahr. Ich hatte einen tollen Job, habe  super viel Geld verdient und sah gar keine Notwendigkeit, eine Ausbildung zu machen.

Dann wurde ich irgendwann schwanger – gewollt schwanger – und habe einen sehr tollen Sohn geboren. Aber wie das häufig vorkommt, ist dann meine Partnerschaft kaputt gegangen und ich stand da. Ich wollte mit meinem Kind zuhause bleiben. Ich war nicht abgesichert. Ich hatte keine Ausbildung und damit auch keine Einkünfte mehr. Und Sozialamt war für mich überhaupt kein gar kein Thema. Dann bin ich erst mal zum Arbeitsamt, weil ich dachte: Okay, du musst jetzt irgendwie arbeiten, du musst ja Geld verdienen.

Der Sachbearbeiter hat wirklich ziemlich mit mir gemeckert, wie ich einen so tollen Job aufgeben konnte. Für dieses Einkommen würde er mich überhaupt nie wieder unterbringen können. Ich sollte jetzt erst eine Ausbildung machen. Ich bekam einen Prospekt in die Hand gedrückt mit zwanzig kaufmännischen Berufen. War in Ordnung, ich wollte ja auch was Kaufmännisches machen. Verlagskaufmann kannte ich. Und Finanzen war ich auch nicht abgeneigt.

Entscheidung per Zufall – ein Glücksfall

Das war im Sommer, mein Sohn war damals noch nicht mal ein Jahr alt. Alle Ausbildungen fingen am 1. Dezember an. Die einzige, die am 1.6. des Folgejahres begann, war der Versicherungskaufmann. Die habe ich genommen. Das kann man nicht wirklich Planung nennen.

Dabei war es rückwärts betrachtet sowas von richtig. Ein echter Glücksfall. Doch damals hatte auch ich keinerlei Ahnung von Finanzen, von Versicherungen, von irgendwas. Ehrlicherweise – das war der Grund, warum ich die Ausbildung gemacht habe.

Finanzbildung in der Schule? Fehlanzeige!

Dass du so lange drangeblieben bist, heißt ja auch, dass man Finanzen lernen kann, oder? Und Spaß daran finden, selbst nach dreißig Jahren?

Unbedingt. Ich verwende etwa 20 Prozent meiner Zeit permanent für Fortbildung. Ich verstehe so gut, warum gerade Frauen sich mit diesem Thema so schwer tun. Weil wir keine Finanzbildung bekommen in Deutschland. Es wird in der Schule nicht unterrichtet. Die Eltern machen es auch in der Regel nicht mehr.

Früher gab es noch die Mutti, die ihre Umschläge auf dem Tisch hatte. Die Kinder sahen, wie Mutti das Geld für Miete, für Kleidung, für alles andere aufteilte.

Katrin Klemm im Interview mit Monika Borchert Finanzgeschichten

Das läuft heute alles elektronisch. Die Kinder lernen es nicht mehr. Infolge dessen traut man sich häufig da auch nicht ran. Aber in meiner Branche ist es ja nicht nur so, dass man Versicherungen kennen muss, auch das Steuerrecht spielt eine Rolle. Nimm die betriebliche Altersversorgung, da solltest du dich im Arbeitsrecht auskennen. Das ist schon sehr umfangreich.

Da ist schon eine dieser Stopp-Stories, die Frauen davon abhalten, sich endlich reinzuknien. Wenn ich mir vorstelle, was ich alles lernen müsste, um mich wirklich kompetent zu fühlen… Wenn wir Frauen was machen, dann möchten wir es ja bitteschön perfekt machen. Welche sind die gefährlichsten Widersacher, die dicksten Mauern, die wir Frauen immer noch im Kopf haben und die uns davon abhalten, endlich mal die Ärmel hochzukrempeln und uns um unsere Finanzen zu kümmern?

Dieses fehlende Finanzwissen das haben Männer wie Frauen. Die gehen ja auch mit uns in die gleiche Schule. Aber Männer gehen das pragmatischer an, Männer denken: Wenn ich krank werde, was kriege ich eigentlich an Geld? Reicht das oder nicht? Schließe ich eine Versicherung ab! Wenn ich gar nicht mehr arbeiten kann, woher kriege ich welches Geld? Also ganz pragmatisch. Während Frauen sich diesem Thema sofort emotional nähern, insbesondere wenn man Mutter ist.

Mütter werden nicht krank

Es ist ja nicht vorgesehen, dass man als Mutter krank wird. Da startet sofort dieser Film: „Ich darf eigentlich nicht krank werden“. Ich spreche hier nicht über eine Erkältung. Länger krank sein kann man sich als Mutter eigentlich kaum erlauben. Sofort kommt der Gedanke: „Oh Gott, was ist mit den Kindern? Wer bringt sie zur Schule, wer macht Essen? Wer macht also all diese Themen?“

Und schon ist man weg von der pragmatischen Lösung. Von dem „Was passiert dann wirklich mit mir?“

Genau das gehe ich mit meinen Kundinnen gemeinsam Schritt für Schritt durch: Was passiert denn, wenn du krank bist? Rein rechnerisch? Welche Zahl steht da? Wie viel Geld hast du an Einkommen, woher auch immer? Und was bedeutet das für dich? Und möchtest du da etwas aufbessern? Etwas verändern? Ja? Nein?

Da dränge ich niemanden. Mir geht es immer um Klarheit. Klar zu wissen, wo stehe ich? Wenn ich krank werde, wenn ich gar nicht mehr arbeiten kann? Wo stehe ich bei der Altersversorgung? Was, wenn mein Mann mich verlässt oder auch verstirbt? Also was bedeutet das rein finanziell und eben mal nicht emotional?

Geh die Geschichte pragmatisch an

Frauen gehen häufig blitzschnell in die emotionale Schiene und deswegen fällt es so schwer. Außerdem sind Frauen sehr viel sensibler als Männer. Männer packen an und machen. Die haben nicht so viel Angst vor Fehlern.

Frauen denken: Das ist alles so komplex. Es ist alles so schwierig. Aber bevor ich etwas falsch mache, mache ich lieber gar nichts. Ich muss mich erst einmal weiter damit erst mal befassen. Ich muss mich erst einmal schlau machen. Und so geht ein Jahr nach dem anderen ins Land. Das ist natürlich eine ganz große Katastrophe, weil neben Renditen oder Anlageformen auch Zeit ein ganz wesentlicher Aspekt ist. Je länger man Zeit hat, desto mehr erreicht man.

Ok, das mit der Zeit leuchtet mir ein. Aber meine Emotionen kleben so fest an meinen Geschichten. Die kann ich ja nicht einfach an der Türschwelle abgeben. Ich höre Stories von Frauen in denen ihre Finanzberater mit den Emotionen – Sorge oder Angst zum Beispiel – entweder nicht umgehen können oder sie schamlos ausnutzen, um Produkte zu verkaufen. Du sagst, du nimmst die Emotionen und stellst die Klarheit der Fakten daneben. Wie stelle ich mir so einem Gespräch mit dir vor?

Ja, unbedingt – beides hat Platz. Deswegen ist ein erstes Gespräch immer persönlich. Ich kann ja zwischen den Zeilen lesen, wenn ich einen Menschen ansehe. Was sagt sie mir und welche Emotionen sind da? Klar heute laufen Beratungen auch über Skype. Doch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Ich finde es super wichtig, dass man sich mindestens einmal persönlich gesehen hat.

Finanzplanung heißt: Hose runter

Das hat mit Vertrauen zu tun. Frauen, die zu mir kommen, müssen mir ja vertrauen können. Finanzberatung und Finanzplanung bedeuten immer – nennen wir es „Hose runter“. Das heißt ja auch, sich zu öffnen, Dinge zu erzählen, auch unangenehme Dinge, wo man vielleicht Fehlentscheidungen getroffen oder sich in seinen eigenen Finanzgeschichten verirrt hat. Es heißt neues Vertrauen zu fassen.

Ich weiß, meine Branche hat ein grottenschlechten Ruf, und leider, leider immer noch zu Recht. Es gibt mittlerweile ganz viele gute Berater und Beraterinnen, aber es gibt leider auch noch viel zu viele schwarze Schafe, die dieses Thema eben nicht ganzheitlich planerisch angehen, sondern den Produktverkauf in den Vordergrund stellen. Denen eigentlich egal ist, was für Schicksale sich vielleicht dahinter bewegen.

Ich arbeite im StoryCoaching das universelle Modell der Heldenreise und erlebe immer wieder, dass es Frauen reflexartig ablehnen, sich selbst eine Heldin zu nennen.
Mein Verständnis von Held*innen: Es geht um Menschen wie dich und mich. Wir sitzen im Hier und Jetzt auf unserem vertrauten Sofa. Und möchten da auch gern bleiben. Manchmal zieht uns das Leben das Sofa unterm Hintern weg. Kind da, Job weg, Partner*in weg, usw.  = Finanzen im Eimer. Manchmal haben wir selbst das Gefühl, wir sollten jetzt mal… Vielleicht schaffen wir es. Wir ziehen los, überwinden Hürden und kommen irgendwo neu an. Damit die Heldin nicht alles allein durchkämpfen muss, trifft sie auf einen Mentor, eine Mentorin.
Ich sehe dich ganz klar als (m)eine Finanz-Mentorin. Deshalb interessiert mich deine Perspektive: Was zeichnet eine Finanzheldin aus?

Eine Frau wird in dem Moment zur Finanzheldin, in dem sie das Thema Finanzen als ihre eigene Verantwortung begreift. Viele Frauen wissen, dass es ein wichtiges Thema ist. Trotzdem lassen sie es häufig bei den Männern oder bei den Partnern.

Unabhängig heißt finanziell unabhängig

Wenn die Männer es denn besser können, finde ich das überhaupt nicht schlimm. Das macht ja eine Partnerschaft aus. Wenn ein Mann das besser kann, soll er das doch gerne tun. Oder der Partner, die Partnerin. Aber worum geht es mir? Um Klarheit. Eigenverantwortung heißt, das Frauen erkennen „Ich bin nur unabhängig, wenn ich finanziell unabhängig bin!“

In Hamburg, sagt die Statistik, gehen 50 Prozent aller Partnerschaften wieder auseinander. Doch selbst wenn man zusammenbleibt, und jeder hat sein eigenes Einkommen, dann hat das für mich was mit Selbstwertgefühl zu tun. Das hängt tief in meiner eigenen Geschichte. Ich habe mit 11 Jahren angefangen zu arbeiten, weil es für mich gruselig war, mit meiner Mutter über Geld zu sprechen. Und wenn ich einen Mann oder wen auch immer fragen müsste: „Ich möchte ein Paar Schuhe kaufen. Kannst du mir 100 Euro geben?“, ist das für mich furchtbar.

Finanzheldin übernimmt Eigenverantwortung

Deshalb übernimmt eine Finanzheldin Eigenverantwortung und fragt sich:

  • Was passiert eigentlich mit mir, wenn ich krank werde, wenn mein* Partner*in krank wird?
  • Was passiert, wenn er/sie gar nicht mehr arbeiten, wenn er/sie verstirbt?
  • Und was passiert, wenn ich nicht mehr arbeiten kann oder nicht mehr arbeiten möchte? Was bedeutet das für mich?

Katrin Klemm Storytelling mit Monika Borchert Finanzgeschichten

Stellen wir uns vor, die Heldin rüstet sich jetzt mit Eigenverantwortung und macht sich auf die Reise. Wie im Kino fiebern wir mit ihr. Wir drücken ihr die Daumen, dass sie es schafft.
Doch immer, wenn sie kurz davor ist, ihr Ziel zu erreichen – rumms – bricht mitten auf dem felsigen Weg zum Gipfel der Berg plötzlich weg oder lauert hinter der nächsten Ecke schon wieder irgendein fieses Monster. Was sind denn in Geldangelegenheiten die größten Hürden, die Frauen überwinden müssen, um in Sachen finanzielle Absicherung und Vorsorge wirklich siegreich zu sein?

Kaufen macht nicht (immer) glücklich

Altersvorsorge ist für viele der Kauf eines Produkts oder mehrerer Produkte. Das ist schon mal der erste Fehler. Bevor ich kaufe, muss ich doch erst wissen, wo ich denn überhaupt stehe. Wo will ich denn hin? Und wann brauche ich überhaupt welches Geld? Erst wenn ich den Weg und meine Ziele beschrieben habe, meine Eckdaten kenne, dann begibt man sich auf Produktsuche. Das wird wirklich sehr häufig falsch gemacht.

Natürlich, es gibt auch gute Bankberater. Aber viele Bankberater sind ja sehr unter Druck. Die müssen Produkte verkaufen. Jeder der da reinkommt – die Oma, die Auszubildende oder der Arzt – kriegt dann das Produkt des Tages.

Und es geht noch schlimmer. „Hast du schon eine Riester-Rente? Hast du schon eine Basis Rente, da kannst du Steuern sparen!“ Dann denkt unsere Heldin: „Ach, ich wollte mich ja sowieso mal mit Altersversorgung beschäftigen. Ich mach das jetzt. Dann spare ich auch noch Steuern! Wunderbar! Damit hab ich diese leidigen Finanzgeschichten auch gleich abgehakt.“ Irgendwann kommen diese Produkte bei mir auf den Tisch. Und ich stelle fest, die Kundin zahlt ja gar keine Steuern. Was ist denn das für ein Produkt? Das passt überhaupt nicht zu ihr.

Die größte Falle für mich ist es, einfach Produkte zu kaufen, die häufig nicht zueinander passen, die häufig gar nicht zu der Person passen. Deswegen ist das Thema Finanzplanung die allerwichtigste und die größte Hürde, weil eine Planung so oft leider so gut wie gar nicht vorhanden ist.

Corona ist auch nur eine Krise

Neben individuellen Schicksalen (zur kompletten Aufzeichnung HIER entlang) hatten wir seit Beginn der Corona-Krise auch ordentliche Schwankungen und unabsehbare Risiken in Börsen und Wirtschaft. Ganz viele Frauen wollen oder müssen gerade jetzt ihr Geld zusammenhalten und fragen sich: „Ausgerechnet jetzt soll ich mir auch noch Gedanken um meine Altersversorgung machen?“
Wann ist denn der beste Zeitpunkt zu sagen: “Ich schlage jetzt ein neues Kapitel meiner persönlichen Finanz-Geschichte auf”,  und wo fange ich am besten an?

Also das Thema Corona und Wirtschaft ist natürlich wirklich ein spezielles. Es ist eine Krise. EINE Krise. Im Laufe unseres Lebens haben wir ja viele Krisen zu meistern. Und dieses Thema Geld zusammenhalten, liquide sein halte ich grundsätzlich für gut. In dieser Zeit, weil die Märkte volatil sind und keiner weiß wie sehr, weil sich die Börse komplett entkoppelt hat von dem Marktgeschehen ist es  – ja, ich wiederhole mich – besonders wichtig, einen Finanzplan zu haben.

Schon wieder die Geschichte mit den Emotionen

Das ist auch genau das, was viele Menschen, insbesondere Frauen, falsch machen, wenn man anfängt mit Geldanlage. Zum Beispiel an der Börse. Dort darfst du nicht emotional sein. Dort brauchst du einen Finanzplan, den du dann auch durchhältst. Wichtig ist eine große Flexibilität. Man muss seine Geldanlagen seiner persönlichen Situation anpassen können. Es aber auf die lange Bank zu schieben oder selbst jetzt wieder zu sagen Ich warte nochmal ein Jahr halte ich für grundsätzlich falsch.

Die beste Zeit ist immer Jetzt

Fang jetzt und sofort an – das ist das A und O. Erstelle einen Plan. Beginne mit kleinen Beiträgen durchaus auch erstmal Rücklagen zu sparen. Denn Zeit ist neben Rendite und Höhe der Beiträge, die man sparen kann, das dritte ganz wichtige Standbein. Aufschieben ist wirklich der allerschlechteste Weg.

Also, Frauen, lasst uns über Geld reden.

Ein herzliches Dankeschön an Monika Borchert für deine Einblicke in Finanzgeschichten, wie du sie siehst und erlebt hast in 30 Jahren Berufserfahrung.

 

Die heilsame Kraft von Geschichten

Bettina kenne ich schon sehr viel länger als mir selbst klar ist, welchen Namen meine Leidenschaft für Menschen und ihre Geschichten trägt: Storytelling. Seit vielen Jahren kreuzen sich unsere Wege immer wieder. Und immer wieder in anderen Rollen. Inzwischen wissen wir, was uns im Herzen verbindet: Ein Gespür für das eigene Timing, das der Intuition folgen darf. Auch wenn das einfacher klingt als es ist.

Bei mir sind es die eigenen Stories, denen ich heute viel aufmerksamer zuhöre als früher. Bettina hat mit Slow Marketing ihre Leidenschaft gefunden: achtsam, authentisch und bewusst.

Vor einiger Zeit hat sie mich in ihren Podcast eingeladen.

Geschichten können viel mehr als nur verkaufen.

Wir unterhalten uns über:

  • Innere Geschichten, die uns schrumpfen oder wachsen lassen (2:25) und wie weit StoryCoaching über bloßes Marketing hinaus geht
  • die Zeit in der alles angefangen hat und auf welche Art ich mit 2 Jahren bereits Bücher “verschlungen” habe (3:30)
  • die Fähigkeit, heikle Gespräche zu führen und warum wir uns schwertun, anderen unsere Wahrheit zuzumuten (9:00)

Wenn du gleich reinhören willst, mit Klick aufs Bild kommst du direkt zum Podcast.

Bettina Ramm Podcast Slow Marketing

Geschichten können heilen und Grenzen erweitern.

Du erfährst:

  • Wie viel Kraft in jeder Häutung steckt (12:15)
  • wie ich Spiritualität für mich definiere (12:45)
  • Wie Geschichten bei persönlichen Entwicklungen helfen können (16:00)
  • Warum es bei Gegenwind eine gute Idee ist, es wie die grüne Meeresschildkröte zu machen (16:35)
  • wie die Vorbereitung eines Karrieregespräches sich manchmal als erfolgreiche Schatzsuche herausstellt (19:00)
  • etwas über die geheime Zutat von „Großes Kino für dein Business“ (19:50)

Es lohnt sich, die eigene Geschichte zu gestalten,

Weil:

  • wir durch unser eigenes Wachstum auch der Welt um uns herum etwas Gutes tun. Oft gerade dann, wenn es schmerzhaft ist oder wir glauben, dass es nicht mehr weitergeht (22:30)
  • Geschichten Leichtigkeit in schwere Wege bringen können (23:50)
  • Spiritualität mehr ist als ein bisschen „du musst nur daran glauben“ (25:00)
  • es in unserer eigenen LifeStory hin und wieder darauf ankommt, Vorstellungen – wie das Leben zu sein hat – loszulassen. Damit es leichter werden kann (28:00)

Zum Schluss verrate ich, was es mit den drei Büchern der B.E.L.L.A Reihe auf sich hat (30:00) .

Hier kannst du uns bei unserer Unterhaltung zuschauen.

 


Erst mit dem Klick auf das Video startet das Video und ein Cookie von YouTube wird geladen. Bitte lesen Sie dazu unsere Datenschutzerklärung. Es gelten die Datenschutzbestimmungen von YouTube.

 

Letztes Jahr hat Bettina ihr erstes Buch geschrieben. Hier habe ich es genauer unter die Lupe genommen. Das zweite erscheint im Mai 2021. Ich bin schon sehr gespannt darauf.