k wie Kopf putzen

Kopf ab oder Tatort Kallersche Gärten

Zwei Stunden lang habe ich neulich Köpfe abgeschnitten. Schnipp. Schnapp. Einen nach dem anderen. Ratsch – auch mal ein ganzes Bündel Blütenköpfe, wenn alles zu spät war. Auf den Knien im Beet rückst du nur ganz mechanisch zum nächsten Busch vor. Oder du wechselst die Stellung, sobald dir bei der ungewohnten Tätigkeit die Knie ächzen. Sonst passiert nicht viel. Die Hände beschäftigen sich wie von selbst. Gedankenwellen fluten sanft hin und her. Schnipp. Schnapp.

Wie gut es tut, ab und zu mal ein paar alte Köpfe abzuschneiden. Genau wie verblühte Gedanken. Die nicht mal schlecht gewesen sind. Sie haben genauso geblüht wie andere und zum Zauber sommerlicher Schönheit beigetragen. Zu ihrer besten Zeit waren sie genau am richtigen Platz. Sie sind gekeimt, waren winzige Knospen, haben sich entwickelt und bekamen Bienenbesuch. Sie haben sich Nahrung und Wasser aus der Erde gezogen, wurden von der Sonne gewärmt und dann im genau richtigen Augenblick – oft wissen Margeritenblüten es ebenso gut wie unsere Gedanken, wann es Zeit ist, die Blütenblätter zu entfalten – haben sie sich der Welt geschenkt. Dann strahlen sie eine Zeitlang vor sich hin. Wie kleine Sonnen erfreuen sie sich an sich selbst und bezaubern jeden der vorbeigeht.

Und eines Tages ist es vorbei. Man sagt ‚sie hatten ihre Zeit‘. Sie verblassen und verdorren, werden zum unansehnlichen Fleck am Strauch.

Die anderen Blütenköpfe am Strauch knurren – unhörbar für ein Menschenohr – wenn die Alten, die Verbrauchten sie um Nährstoffe und Wasser betrügen, die sie selbst nun nicht mehr brauchen, braun und verdorrt wie sie aussehen.

Hören sie sie auch manchmal grummeln in ihrem Kopf? Die neuen, die frischen Gedanken, die jetzt endlich Raum wollen, für die es an der Zeit ist zu blühen? Säßen da nicht die alten noch so fest an ihren Stängeln. Vielfältige Arten verblühter Gedanken gibt es in unseren Köpfen. Die

  • die uns noch nie etwas gebracht haben „ich bin einfach nicht gut genug
  • die uns krank machen „ich kann das nicht mehr ertragen, doch sag ich was, dann wird es noch schlimmer
  • die uns erfolgreich davon abhalten, uns zu bewegen „ich müsste mal…
  • die uns klein und hilflos halten „ich kann doch nicht…
  • die uns den Selbstbetrug erträglich machen wollen „wenn ich erst…, dann…

Auch diese Gedanken haben ihre Zeit, in der sie irgendeinen Nutzen bringen. Sicher. Doch eines Tages sind sie abgenutzt, aufgebraucht und bringen gar nichts mehr. Das Rascheln ihres toten Laubes raubt anderen Ideen-Knospen die Kraft zum Reifen und Blühen. Dann ist es Zeit für die Schere – Heckenschere, Gedankenschere, Papierschere. Schnipp. Weg damit.

Leg los – schaff dir Platz im Kopf für das was dran ist. Notiere dir alle Gedanken, die dir in letzter Zeit mehr Zaudern und Schaden als Nutzen gebracht haben. Schreib auch Gedanken auf, die schon uralt und verwelkt sind. Vielleicht sind es ja noch nicht mal mehr deine eigenen. Schreib alle auf. Und dann setz die Schere an, zerschnipsel sie in kleine Fetzen. Bring sie zur nächsten Papiertonne. Dann atme tief durch. Sei neugierig, wie viel Raum die neuen Triebe jetzt haben.

Stück für Stück gewinnen meine Margeritenbüsche wieder an Farbe. Das Leuchten der frischen Blüten erobert sich die Macht über das Graubraun zurück. Schnipp schnapp. Neue Ideen strecken ihre Köpfe ans Licht. Endlich können sie durchatmen. Inspiriert pumpen frisch geschlüpfte Gedanken ihre Lungen voller Sauerstoff. Wir strahlen wieder, richten uns auf, orientieren uns neu, schauen mit leuchtenden Augen in die Welt. Da ist jetzt Raum… Platz für Neues.

 

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