Geschichten im Urlaub
Du willst in den Urlaub. Doch ständig quatscht einer dazwischen. Und das nicht von außen…
In den letzten Jahren bedeutete eine mehrwöchige Workation für mich die ziellos zielgerichtete – die „intuitive“ – Art zu arbeiten. Wenn mir gerade danach war – oder eine Kundin einen konkreten Termin anfragte, habe ich losgelegt. Dabei gab es keine scharfe Trennlinie zwischen Urlaub und Arbeit. Ich habe die zahlreichen Umwege genossen, die die die Ortskenntnis erhöhen. Gerade hier in Portugal purzeln die kreativen Ideen nur so.
Plötzlich Urlaub first
Jetzt – im Frühjahr 24 – will ich wissen, ob das Workation auch anders funktioniert. Nacheinander. Also erst den Urlaubs-(Vacation) Anteil genießen. Danach die Arbeit (Work) rocken.
Wenn ich Dinge zum ersten Mal mache, bin ich ein großer Fan des Prototypings. Wenn du mehr wissen willst, hier gibt es meine 7 guten Gründe dafür.
Spoiler: Es wurde eine interessante Herausforderung. Die hatte nichts mit Land und Leuten zu tun. Ganz im Gegenteil: Mitreisende, Wetter, Essen – alles prima.
Was heißt Urlaub
Die beste Frage gleich zu Beginn: „Was heißt denn Urlaub?“, will Steffi wissen. Sie ist eine meiner Reisebegleiterinnen, die ich nur vielbeschäftigt und hard-working kenne. Gerade hat sie mit “Einfach Tanzen” schon wieder ein neues Projekt am Start. Sie fragt sich „Woher kommt das Wort Urlaub überhaupt?“, beginnt zu recherchieren und wird fündig:
Urlaub in Deutschland = Wegtreten bitte
Gesetzlich ist lt. Bundesurlaubsgesetz gar kein Durcheinander erlaubt. Urlaub ist eine „Bezahlte Freistellung zur Wiederherstellung und zum Erhalt der Arbeitskraft“, sagt Gablers Wirtschaftslexikon. In Deutschland darf der Arbeitnehmer deshalb “keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.“ Das gilt – auch wenn es nach Mittelalter klingt – noch heute für Arbeitnehmer*innen, Soldaten und Beamte.
Nach Wikipedia soll der Begriff Urlaub im Deutschen auf das alt- und mittelhochdeutsche Substantiv urloup zurückgehen. Es bezeichnete die „Erlaubnis“, sich aus dem Dienst zurückzuziehen. Knechte und Mägde konnten nach der Ernte zum Altbauern, dem „Ur“ gehen und um Er„laub“nis fragen, sich eine Weile zu entfernen.
Höre ich heutzutage manchem Angestellten zu, hat sich daran nicht viel geändert.
Urlaub kann Freiheit sein
Auch der niederländische Begriff Vakantie geht auf das späte Mittelalter zurück. Er leitet sich aber vom lateinischen vacantia (Freistellung) oder vacare (frei sein) ab. Hier ist der Urlaub also eine Freiheit von Verpflichtungen. Die Niederländer*innen bestimmen selbst, was sie mit ihrer freien Zeit anstellen. Zum Beispiel woanders arbeiten.
In Deutschland sind für Angestellte die unterschiedlichen Zwecke des Urlaubs festgelegt und gesetzlich geregelt. Auch das Urlaubsgeld.
Selbständige müssen sich selbst kümmern. Sie genehmigen sich ihren Urlaub selbst, stellen sicher, dass das Urlaubsbudget reicht und vor allem – dass diese freie Zeit wirklich der Erholung dient.
So weit, so gut. Nehmen wir an, im Außen ist jetzt für alles gesorgt. Der Urlaub kann beginnen.
Auch Innen alles im Urlaub?
Jetzt wird es richtig spannend.
Stell dir folgende Szene vor:
Du hast die Haustür hinter dir abgeschlossen, bist pünktlich am Flughafen, checkst ein. Boarding absolviert. Du hast deinen Platz gefunden, schnallst dich an. Die Maschine hebt ab.
Plötzlich startet ein Geplapper.
Du schaust dich um. Doch deine Mitreisenden sind schon weggedöst. Oder in ihr Buch vertieft. Von denen sagt niemand etwas …
Die Diskussion, die du hörst, kommt von Innen. Aus deinem eigenen Kopf melden all deine KlugSch*… ihre Bedenken an.
- Perfektions-Else: “Abschalten? Im Flugzeug? Niemals! Dieser Urlaub muss funktionieren, bis ins kleinste Detail. Haben wir wirklich alles eingepackt? Kein Detail übersehen? Taxi bestellt, Plätze im Restaurant gebucht, Öffnungszeiten kontrolliert? Ich kann einfach nicht entspannen! Ich glaub, du hast das Business überhaupt nicht perfekt für deine Abwesenheit vorbereitet. Was ist, wenn etwas schiefgeht?“
- Workaholic-Peter: „Bist du doof, ausgerechnet jetzt frei zu nehmen? Das passt doch gerade jetzt ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht. Du kannst nicht einfach abschalten und den Urlaub genießen. Es gibt noch so viel Arbeit zu erledigen. Pass auf, sobald du dich entspannst, fallen dir bestimmt noch 100 Dinge ein, die du jetzt nicht mehr erledigen kannst.”
- Panisch-vor-Angst-Lotte: “Was, wenn etwas Schlimmes passiert, während du im Urlaub bist? Die Kolleg*innen sind gar nicht drauf vorbereitet. Der Kunde will die Unterlagen bestimmt wieder eine Woche vorab haben! Du musst dich auf das Schlimmste einstellen. Was ist, wenn du ertrinkst oder dir nen exotischen Virus einfängst. Das Land ist doch voll zu gefährlich. Du kannst dich nicht so einfach entspannen! Du wirst doch viel zu träge, um jemals wieder einen Auftrag zu bekommen.“
- Kontrolletti-Bert: “Du kannst nicht einfach so herumhängen und den Moment genießen. Du musst alles im Blick behalten, da geht sonst bestimmt was schief. Hast du wirklich alle Wasserhähne abgestellt? Hast du nachgesehen, ob die Versicherung auch verlorene Koffer abdeckt? Was ist, wenn die Katzenklappe nicht funktioniert (kein Witz, in Thailand habe ich eine Frau getroffen, die ihre sieben Katzen mehrmals täglich mit einem Tracker kontrolliert hat)? Und was, wenn du jetzt in ein Unwetter kommst, was machst du dann, um das wieder in den Griff zu kriegen?“
- Zweifel-Hanni: „Meinst du das war wirklich eine gute Idee, jetzt nach drei Jahren schon wieder Urlaub zu nehmen? Und wenn du viel zu knapp kalkuliert hast, die Inflation ist auch dort heftig? Oder wenn die Villa gar nicht so schön ist wie auf den Bildern? Was mach ich, wenn das Bett quietscht oder die Dusche tropft? Ob sie nach diesem Urlaub noch mit mir reden werden?“
- Schuldig-Heinz: ” Ich fühle mich so schlecht, einfach so in den Urlaub zu fliegen, mich zu entspannen, wenn so viele Menschen um mich herum leiden oder arbeiten. Schäm dich, diesen Luxus zu genießen, während andere sich abstrampeln.“
Kannst du sofort in den Urlaubsmodus schalten? Oder welche von denen kennst du?
Wie heißen deine Urlaubs-Saboteure?
Wen musst du um Er-laub-nis fragen, wenn du dich vom Ort des Arbeitsgeschehens entfernen willst? Welche Anteile beruhigen, um deinen Urlaub zu genießen?
Schreib sie dir auf. Das hilft schnell, ihnen oft den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Welche Geschichten von „Du musst noch…!“, „Vergiss nicht…!“, „Hast du schon…?“, „Du kannst nicht einfach…!“ und anderen Saboteuren brauchen ein neues Drehbuch? Du kannst es jederzeit selbst schreiben.
Drei Inspirationen, die ich genutzt habe, um meine inneren Mitreisenden zu überzeugen. So konnte ich mich schon im Flieger auf meine Vakantie freuen. Und die Freiheit von meiner Jobverpflichtung noch mehr genießen.
Urlaubszeit = Ideenzeit
Im Urlaub entstehen ganz wunderbare Ideen und Lösungen wie von allein, weil
- Wir unsere Gedanken nicht auf ein spezielles Problem richten, sondern sie schweifen lassen. Das erfreut unser Gehirn, sagt man bei Gehirn-Info (und die müssen es ja wissen, oder?)
- Wir neue Assoziationen bilden können, sobald wir unser Umfeld wechseln. So erfahren wir ungewohnte Perspektiven am eigenen Leib – das Essen, die Art zu Bauen und zu Wohnen, die Alltagsroutinen der Menschen vor Ort. Ich teste in diesem ganz anderen Kontext gerade, ob ich wirklich ein Nachtmensch bin. Oder ob mir nur der deutsche Alltag einreden will, es sei so.
- Wir Offenheit gegenüber ungeplantem Input als eine Grundvoraussetzung für Innovation nutzen können. Bei mir heißt das immer direkt neue Gerichte auf den StoryTeller zu bringen. Was uns eher zufällig begegnet – also sprichwörtlich zufällt – lockert unsere kreativen Muskeln, sagt die Kreativitätsforschung.
Jetzt habe ich also meine Urlaubswoche – den Vacation-Anteil – gut “überstanden” und meine Zeit genossen. Selbst mit ein paar inneren Diskussionen zu Beginn hat mir mein Prototyping wieder eine konkrete Fragestellung beantwortet.
Mein Urlaubs-Fazit
Für mich wird es in Zukunft immer wieder eine intuitiv gemischte Workation werden. Denn ich liebe gute Ideen. Ich muss niemanden um Erlaubnis fragen, wann und woher sie kommen dürfen. Wann immer sie auftauchen, ich werde sie nicht bremsen.
Mich interessiert jetzt:
- Was bedeutet für dich Urlaub? Ist es die Abwesenheit von allem, was auch nur an Arbeit erinnert?
- Welche Anteile wollen dir den Urlaub vermiesen, und wie nimmst du sie an die (lange) Leine?
- Was machst du mit richtig guten Ideen, die ausgerechnet während des Urlaubsteils auftreten?