So sterben wir. Fakten und Geschichten – GoodRead Nr. 3
MyGoodReads: – 6 Bücher – 6 Wochen – 6 Blickwinkel- mein Sommerexperiment, um zu zeigen, welche Geschichten hinter StoryCoaching stecken. Herzliche Einladung zum Dialog, wenn du die Dinge ähnlich oder ganz anders siehst.
August in Hamburg. Kurz vor Mitternacht. Drinnen tobt die Party. Draußen sprechen N. und ich nun schon zwei Stunden. Die Nachtkühle ignorieren wir. N. liegt mir am Herzen. Und sie hat Krebs. Aktuell haben sie ihn im Griff. Phantastisch, welche Möglichkeiten moderne Medizin heute hat. Trotzdem, gesund ist sie nicht mehr.
Für N. kommen die Fragen. Das Leben will es jetzt wissen: Was kommt am Ende? Und was in der Zeit davor?
Sterben? Passiert mir nicht.
So gern würden wir glauben „Es trifft ja immer nur die anderen“.
Irrtum. Auch unser Ablaufdatum steht fest. Wir kennen es nur noch nicht.
So sterben wir
Roland Schulz
Im letzten Jahr habe ich behutsam begonnen, mir eine neue Haltung dazu zu erobern. Ein Einblick: “Wie kann Abschied fröhlich sein” – Interview mit einer Bestatterin.
Damals ist mir Roland Schulz Buch als fordernder Wegbegleiter zum ersten Mal begegnet. Lass es mich dir heute ans Herz legen.
„Der moderne Mensch denkt über den Tod wie über den Weltraum: Er existiert zweifelsohne irgendwo da draußen – aber im tiefsten Herzen sind wir sicher, niemals durch seine Dunkelheit zu wandeln.“ (Schulz, Seite 18)
Wozu ich es lese.
Es werden viele Geschichten über das Sterben erzählt. Keine/r weiß, welche wahr sind. Dabei wünschen wir uns doch alle ein gutes Ende. Vielleicht sollten wir dann beginnen, uns für diese Geschichten zu interessieren. Um zu verstehen, was in unserer Macht liegt und was nicht.
Damit ich N. besser zuhören kann. Und einfach da sein.
Worum geht’s? Schlaglichter.
Die krumme Kraft der Kommunikation. Den Unfug, den Gesunde plappern, wenn wir nicht wissen, wie wir mit Krankheit und Tod natürlich umgehen können.
Wie sich Sterben anfühlt und wann es beginnt.
Dass Trauer mitten im Leben erlaubt ist. Auch die um dich selbst. (Dazu habe ich hier schon mal geschrieben)
Der knifflige Papierkram, der Fragen ans Leben aufwirft.
Sterben ist hart, Sterben schmerzt. Die Möglichkeiten der Palliativmedizin, und warum wir danach fragen müssen.
Der Papierkram beim Sterben
Wenn du gestorben bist, wird der Papierkram auch nicht weniger. Die gute Nachricht: der geht dich dann nichts mehr an. Doch ist die Bürokratie nach dem Tod beeindruckend. Eine Maschinerie, die sich beeinflussen lässt, wenn man weiß wie.
Roland Schulz hat für sein Buch mit Fachleuten gesprochen, die beim Sterben dabei sind, und die übernehmen, wenn dein Ende noch nicht das Ende ist: Hospiz- und Krankenhauspersonal, Bestatter, Menschen in Krematorien, einem Thanatopraktiker, Bestatter*innen, Verwaltungsbeamten, einem Trauerbegleiter.
Fun-Fact: Nicht nur wir glauben, dass Verdrängen uns beim Überleben hilft. Stellt Schulz den Profis die Frage nach den persönlichen Vorkehrungen für den eigenen Tod, haben sie oft genau so wenig getan, wie die meisten von uns. Auch Spezialist*innen für Sterben schieben es gern vor sich her, ihren Kram zu regeln. Wie menschlich.
Was es in mir auslöst.
- Ein tiefes Gefühl von Verbundenheit durch die Gewissheit: diesen Weg gehen wir alle.
- Frieden im Blick auf das Ende. Und die Bereitschaft, das Sprechen dem Schweigen vorzuziehen.
- Lebensfreude, als tiefe Fähigkeit, mich an allem zu erfreuen, was jetzt ist.
Ich empfehle das Buch:
Mutigen Menschen, die sich ehrlich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen wollen, und dabei mehr Lust auf Klartext, als auf gute Ratschläge oder psychologischen Samthandschuhe haben.
Jedem und jeder, der/die sich ihrem Unbehagen oder ihrer Angst vor dem Unbekannten stellen wollen und nach einem guten Anfang suchen.
Dir, liebe N.