Kann Storytelling echt sein
Seit meinem Interview mit Petra Sammer im Juni 2021 lässt mich EIN Thema nicht mehr los
Wie echt kann Storytelling sein?
Über die Einladung von Andrea Bernard – der Fachfrau für Case Studies – habe ich mich deshalb sehr gefreut. In Sachen #echtsein sind wir Weggefährtinnen. Was also lag näher, als ein paar der folgenden Fragen zu klären:
- Wenn wir von #echtsein im Storytelling sprechen, meinen wir immer wahrhaftiges Storytelling
- Storytelling ist immer dann echt, wenn es neben Siegen und Erfolgen auch den schwierigen Weg dorthin transparent macht
- Der Blick von außen – durch eine StoryCoach oder Case Study Copywriterin – kann helfen, eine gute Geschichte souverän, überzeugend und authentisch zu erzählen.
- Eine wahrhaftige Geschichte über sich selbst zu erzählen braucht oft Mut. Denn authentisch kann auch mal “autsch” sein.
- und dann ist da noch die Sache mit der Scheibengardine …
Du willst lieber gleich zuschauen? Mit Klick auf den #echtsein gehts zum ganzen Video mit Untertitel und Unterkapiteln, damit du direkt zum Abschnitt springen kannst, der dich besonders interessiert.
Die Sache mit der Scheibengardine…
Im folgenden Auszüge aus dem Transkript, bearbeitet und gekürzt für bessere Lesbarkeit.
[00:54.61] – Katrin Klemm
Dann schnappe ich mir gleich mal die erste Frage, weil ich deinen Job so interessant finde. Wenn ich mir vorstelle, Andrea, die Case Study Copywriterin, schreibt eine Case Story über Andrea, was wäre drin und was würde sie “echt” machen?
[01:16.35] – Andrea Bernard
Oh, Katrin, das ist eine super Frage. Ja, wenn ich praktisch darüber nachdenke, über mich eine Geschichte zu schreiben. Vielleicht sogar im Business Kontext, dann ist das so ein bisschen für mich, wie, wenn ich in einer Rotweinflasche sitze und draußen auf das Etikett gucken soll, um zu sagen, was in dieser Flasche drin ist. Ich finde das unglaublich schwierig über mich selber zu erzählen, weswegen ich mich darauf spezialisiert habe, aus anderen die Geschichten herauszuholen.
Aber ich stelle mir die Gegenfrage Katrin, wie sieht es bei dir aus? Gerade als Story-Coach ja auch für Menschen, die ihre Lebensgeschichte, ihre Life Story schreiben wollen. Was wäre denn deine Geschichte über dich selber?
[01:59.29] – Katrin Klemm
Den Begriff Story-Coach muss ich oft erklären, weil ich häufig höre, Storytelling, ja das ist ja hier dieses Marketing Gedöns.
Als StoryCoach beherrsche ich das Handwerkszeug des Storytelling.
So nutze ich saubere Strukturen, die eine Geschichte braucht. Gleichzeitig bin ich fasziniert von der Magie, die entsteht, wenn sich eine richtig gute Geschichte wie von selbst entwickelt.
Und als Story-Coach schaue ich so ein bisschen hinter die Schleier der Geschichten, die wir uns selbst erzählen und hinter die Geschichten, die wir anderen erzählen. Das ist für mich ein Handwerkszeug, wenn es darum geht, was mache ich aus der Geschichte, die mich geprägt hat?
[03:28.55] – Andrea Bernard
Mein Herz brennt dafür, bei anderen die Geschichten zu entdecken und aus ihnen herauszulocken.
[03:42.200] – Katrin Klemm
Und das ist ja auch ganz fantastisch. Ich selbst musste auch erst mal meine eigene Blockade überwinden, ich komme aus dem IT Business. Und da ist alles 0 oder 1, quadratisch, praktisch, gut. Und ich habe Jahre gebraucht zu akzeptieren, dass ich eine Faszination für die Magie von Geschichten habe.
Als ich dann kapiert hatte, dass ich ja nicht das eine oder das andere sein muss, als ich diese Angst weggeschmissen hab, ja, wenn die strukturierten Kunden dann das erfahren, dass ich auch andere Sachen kann, dann wollen die mich nicht mehr, als ich begriffen habe, wie das zusammenpasst, dann lief es plötzlich. Und das ist genau die Mischung in jeder persönlichen Life Story. Es ist immer beides.
[04:25.880] – Andrea Bernard
Und woran merke ich jetzt, dass so eine Life Story echt ist?
Wie hilfst du deinen Kundinnen, Kunden echte Geschichten zu erzählen?
[04:38.33] – Katrin Klemm
Ich habe bei Petra Sammer gelernt:
“No conflict, no story”.
Das heißt, ganz, ganz behutsam lade ich die Frauen ein, – 80 % meiner Klient*innen sind Frauen – zu schauen, wo waren eigentlich die dicken Konflikte in meinem Leben? Wo waren die kleinen Konflikte in meinem Leben? Was hat sich daraus entwickelt? Weil, wie gesagt, wenn alles schick war, ist es PR, dann ist es nicht echt.
Und ich seh grad die Frage von Petra Sammer, was ist echt? Ich habe mich entschieden, dass ich keine Definition geben will. Für mich ist echt aufrichtig. Es ist das, wo ich im Herzen und mit dem Verstand überzeugt bin, dass ich das mit der Welt teilen will. Selbst wenn das nicht ganz einfach ist.
Authentisch kann manchmal ganz schön autsch sein.
Andrea: Was ist bei dir echt? Wie ist das, wenn du echte Geschichten aus Kunden herausholen willst? Ist da auch so dieses, “Ach, machen Sie mir mal ne nice PR-Geschichte”? Wie machst du das?
[06:06.14] – Andrea Bernard
Genau …, wie hole ich die aus meinen Kunden praktisch? Oder fragen die mich, mach uns doch mal eine coole Case Study, also eine Case Study oder Kunden-Erfolgsgeschichte, Fallstudie ist ja etwas, wo praktisch meine Kunden schon mal nicht über sich selber erzählen, sondern wiederum einen Perspektivwechsel machen und eine Geschichte ihrer Erfolgskunden erzählen. Also sich einen ihrer Kunden nehmen, die mit ihnen einen Erfolg hatten. Die zufrieden sind, die glücklich sind und deren Geschichte erzählen.
Ein ganz wichtiger Perspektivwechsel, der auch dazu führt, dass die Geschichte meiner Meinung nach glaubwürdiger und echter wird. Weil weil mein Kunde eben nicht über sich selber erzählt, nicht werberisch sein eigenes Produkt lobt, sondern seinen Kunden fragt und sagt, “Sag doch mal, wie ist das eigentlich?
Wie hat dir mein Produkt eigentlich geholfen?
Da kommen natürlich auch Kunden auf mich zu, die sagen, ich hätte gerne so eine Case Study. Und wenn ich dann sage ,”Ja, dann müssen wir den Kunden interviewen”, “Wie, da müssen wir den Kunden interviewen? Ach so, da müssen wir ein Interview führen?”
Ja, du willst die Geschichte deines Kunden erzählen. Die kannst du nur erzählen, wenn du ihn gefragt hast.
Weil wenn du sagst, was du denkst, was der Kunde von deinem Produkt hatte, dann ist es ja im besten Falle Hörensagen bzw. dann ist das halt nur in deinem Kopf. Und das ist schon mal, finde ich ganz wichtig, um um eben echte Kundengeschichten zu bekommen.
Da ist natürlich die Frage, was ist echt? Und auch da sage ich genau wie du gesagt hast, “Ohne Konflikt keine Geschichte”. Finde ich super. Sehe ich bei den Case Studies genauso. Und das ist auch immer mein Thema bei diesen Interviews, die ich führe.
Ich sage, “Erzählt doch mal auch, welche Schwierigkeiten ihr gemeinsam gemeistert habt, denn erst wenn man gemeinsam Kunde und Anbieter durch Schwierigkeiten auch hindurchgegangen ist, kann man auch sagen, mit dem kann ich wirklich arbeiten, mit der hat das wirklich geklappt, auch wenn es mal irgendwie schwierig wird.
[08:27.86] – Katrin Klemm
Ja und ich sehe auch schon im Chat Petra, Martina… Der Bereich von echt, wahrhaftig, authentisch. Es ist so ein großes Feld, in dem es sich bewegt. Lass mich vielleicht ein sehr konkretes Beispiel geben.
Echt? Authentisch? Wahrhaftig? Ein weites Feld.
Ich gehe mit der Life Story im Mai wieder nach Portugal. Da hat sich jetzt gerade eine Teilnehmerin angemeldet und für die stimmte alles am Angebot. Alles fein. Sie hatte nur genau eine Frage. Ich spreche immer davon, dass ich radikale Kooperation fördere.
Ihre Frage war, “Sag mal, radikale Kooperation. Ich komme gerade aus einer Ausbildung und da musste ich leider miterleben, dass Leute nicht feedback-geschult waren und sich unter der Gürtellinie gegenseitig Sachen um die Ohren gehauen haben. Das will ich nicht haben, weil das hat niemanden vorangebracht.”
Diese Frage hat mich eingeladen, radikale Kooperation noch mal tiefer zu durchdenken. Wenn im Workshop die Ingenieurin neben der Kindergärtnerin sitzt und nehmen wir noch eine Werbeagentur-Chefin dazu. Die sitzen nebeneinander und haben vollkommen unterschiedliche Blicke auf die Welt.
Und es ist erlaubt, wenn die Kindergärtnerin jetzt der Ingenieurin erklärt, “Du, wenn bei mir so ein Steppke seine Schnürsenkel zubindet, um dieses Problem zu lösen, dann geht der so und so voran. Das ist eine Einladung an die Ingenieurin genau zuzuhören. Weil es einfach so ist, dass manchmal andere unsere blinden Flecken viel besser und viel schneller und viel leichter sehen. So lernen wir voneinander, auch wenn wir völlig verschieden sind.
Es heißt aber gleichzeitig auch, dass ich das immer mit einer Absicht mache.
Ganz klare Absicht: es ist wertschätzend und bringt mein Gegenüber voran.
Das sind bei mir der Inhalt der Mitteilung, der sehr klar sein darf und klar sein soll. Und auf der anderen Seite meine Absicht, in der ich erzähle, was ich wahrgenommen habe und was ich mir wünsche. Das ist für mich ein Thema, das sich immer wieder entwickelt.
[10:56.11] – Andrea Bernard
Hm, absolut. Finde ich so einen wichtigen Punkt, dieses, wann gibt man dem anderen Feedback, nutzt es dem anderen, ist es konstruktiv? Ist es positiv? Wie hilft es dem anderen sozusagen? Also wahrhaft sein oder echt sein oder authentisch sein heißt ja nicht, dem anderen einfach nur etwas sagen, weil man das jetzt gerade denkt und ihn verletzen. Das bringt überhaupt nichts.
Ich blende auch noch mal kurz ein, was Petra (Sammer) schreibt, finde ich sehr wichtig. “Ich denke echt heißt nicht gleich wahr”. Ich denke auch, dass es da viele Unterschiede gibt. Sehr interessantes Thema zwischen Echtheit und Wahrheit ist ein Unterschied.
Echt heißt auf jeden Fall wahrhaftig.
Wahrhaftig heißt für mich zum Beispiel eben auch, dass das, was ich erzähle, dass die Geschichten, die ich erzähle, dass die mit meinen Werten und mit meinen Wertevorstellungen und mit dem wie ich handle und mit dem, was ich ansonsten mit diesen Menschen im Kontakt bin, übereinstimmt.
Dass es stimmig ist, dass die Menschen sagen, “Ja, in der Geschichte erkenne ich Andrea wieder, so, wie sie auch heute, morgen, gestern und übermorgen gehandelt hat oder handeln wird.
Ähnlich sehe ich das auch bei Case Studies von Unternehmen. Natürlich formen wir die Geschichten. Natürlich haben wir Strukturen für so eine Case Study. Natürlich nehmen wir bestimmte Elemente, um einen roten Faden zu bilden.
Und natürlich ist so eine Case Study oder Kundenerfolgsgeschichte eine Erfolgsgeschichte. Am Ende steht ein Erfolg, aber sie stimmt eben mit den Werten und mit den Grundsätzen dieses Unternehmens überein. Und man merkt, es gibt ein stimmiges Bild. Das finde ich halt, das finde ich sehr wichtig.
Ich sehe, wir kriegen ganz, ganz viele Kommentare….
Ah, “idealisiertes Bild”.
[12:55.97] – Katrin Klemm
Zur Intention zu stehen, das ist für mich auch so, ich geh da raus und ich habe eine Absicht. Ich nutze eine Geschichte. Häufig passiert es mir auch, dass ich Geschichten erzähle und es wieder mal nicht gemerkt habe.
Ich habe ungefähr 25 Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass das Storytelling ist, was ich da schon mein ganzes Leben mache. Mag sein, dass es absichtslos war. Aber heute nutze ich sie sehr konsequent und ich sag das auch, weil ich es gerne möchte, dass es meinem Gegenüber leichter fällt.
Katrin, ist das jetzt schon nicht mehr wahrhaftig, weil, so wie Marcus jetzt hier schrieb, nicht nur aus Verkaufszwecken, völlig idealisiert?
Verkaufszwecke ja. Idealisiert, vergiss es. Denn ich glaube, im Kino, sagen wir, was hatten wir vorhin – Rotkäppchen ohne den Wolf, Dornröschen ohne die Spindel, Windows ohne Bugs, Kanzlerduelle ohne technische Pannen – würden wir uns nicht lange angucken, wenn dieses Kribbeln, wenn dieses, wird er es schaffen, wir er es nicht schaffen, wenn das fehlt, warum sollte ich dann da so lange drin sitzen?
[14:24.09] – Andrea Bernard
Ja, und ich finde, Geschichten müssen auch immer etwas transportieren. Auch um auch noch mal auf Marcus zurückzukommen, dieses nicht nur aus Verkaufszwecken. Also, erzähle Geschichten, die die Menschen bewegen und nicht, die sie in irgendetwas hinein überreden oder tricksen sozusagen.
Eine Geschichte muss einen Wert haben.
Eine Geschichte muss auch in sich immer einen Wert haben, ganz unabhängig davon, was ich jetzt verkaufen will vielleicht. Und auch bei den Case Studies sehe ich das so. Also so eine Case Study, wo jetzt praktisch ein Unternehmen beschreibt, wie seine Lösung bei irgendeinem Kunden ganz konkret funktioniert hat und welche Ziele, Erfolge das gebracht hat, die hat in sich einen Wert.
Die erzählt etwas darüber, wie man so eine Lösung implementieren kann, welche Erfolge man damit erzielen kann, was für dieses Unternehmen wichtig war, wie die sich da geschlagen haben und so weiter und so fort.
Und das ist bei einer Case Study ganz klar, mit einer Case Study möchte ich mein Produkt verkaufen als Anbieter, in dem ich diese Case Study schreibe.
Aber ich möchte auch Visionen bieten. Ich möchte sagen, so könnte diese Lösung oder auch ähnliche Lösungen meinetwegen anbieten oder so könnt ihr Erfolge erzielen oder so arbeiten wir mit unseren Kunden zusammen oder oder oder oder. Und ich finde, diese Geschichten müssen in so einer Geschichte auch rüberkommen, sodass es nicht nur darum geht, etwas zu verkaufen. Absolut.
[15:52.30] – Katrin Klemm
Ja, ich bin schon gleich wieder auch bei der nächsten großartigen Frage, oder vom Statement von Petra: “Radikale Kooperation als Arbeitsprinzip. Was ist die Story dazu?”
Ich sage ja. Das ist ein Begriff, den ich mal gehört habe, den ich sehr interessant und sehr, sehr spannend fand und habe dann bei mir geguckt, wie, was ist eigentlich so in meinen Kundenumfeld los gewesen.
Und ich habe eine Geschichte gefunden, wo ich mir dachte, da hätte ich vielleicht ein bisschen mehr radikale Kooperation gebraucht.
Wie geht radikale Kooperation?
(Was meine LifeStory-Teilnehmerinnen von Radikaler Kooperation halten)
Es ist jetzt schon ein paar Jahre her – ich habe viele Jahre auch als Change & Transformation Managerin gearbeitet – der Kunde war vom Umfeld her schwierig. Es war IT, ich will jetzt nicht zu viele Details nennen. Und vielleicht hätte ich die Finger davon lassen sollen, aber die wollten mich unbedingt. Ich war empfohlen worden, die haben keinen anderen Berater reingelassen. Ich hätte ein paar Dinge anders und besser machen können. Ich habe immer wieder sehr transparent kommuniziert, was ich sehe, wo man Dinge anders tun sollte.
Auch die bittere Pille ansprechen.
Ich habe in meiner ganzen Transparenz eines vergessen und das ist eine ganz authentische Weigerung (eine Veränderung überhaupt zuzulassen). Ich hätte aufhören sollen. Ich hätte ihnen ganz klar machen sollen, wenn wir diese Bedingungen nicht schaffen können, dann bringt es nichts, wenn ich mich zu Tode arbeite und drei andere Leute sich auch zu Tode arbeiten in diesem Unternehmen.
Und gleichzeitig ist es mir gelungen, bei fünf oder sechs Menschen in diesem Unternehmen ein Feuer anzuzünden, das – Theorie? Keine Ahnung, Hypothese – wäre ich nicht da gewesen und so vehement dran geblieben, heute, da nicht auf kleiner Flamme des Fortschritts brennen könnte.
Aber was ich jetzt gelernt habe für mich, ich würde einen solchen Auftrag in Zukunft ablehnen. Auch wenn das schön und attraktiv ist. Aber diese Art der radikalen Kooperation, dieses wertschätzende, bis hierher und nicht weiter und das sind die Bedingungen, das ist für mich die Geschichte, meine sehr persönliche Geschichte, dass ich sage, okay, was heißt für mich radikal?
[18:17.46] – Andrea Bernard
Also ja, geht mir bei Case Studies auch so. Es gibt auch Projekte, wo ich sage, da bin ich nicht der richtige Partner dafür. Und mich da auch nicht hinein begebe. Ich hatte auch schon Kunden, …, wo ich auch das Gefühl hatte, ich bin nicht der richtige Partner dafür. Und die Kooperation ist nicht ideal. Und dann gesagt habe, ich denke, wir sollten aufhören. Und dann aber der Kunde kam und sagt, nein, du bist genau die Richtige.
[18:51.58] – Katrin Klemm
Genau das würde mich wirklich interessieren, Andrea. Bekommst du, ich hoffe, ich formuliere es jetzt richtig…
Unmoralische Angebote?
Also, kriegst du manchmal auch unlautere Anfragen, wo jemand sagt, “Mach mir hier ein bisschen Sahne-Soße drüber, wasch mich, aber mach mich nicht nass? Wie gehst du da vor? Wie klärt ihr das?
[19:11.59] – Andrea Bernard
Das ist eben das Schöne an der Case Study, dass ja der Prozess so klar ist. Dass ich mit meinem Kunden, der eine Case Study über seinen Kunden haben möchte, spreche, dann sage, du brauchst auf jeden Fall einen Kunden, der auch bereit ist, für die Case Study zur Verfügung zu stehen.
Der auch bereit ist für ein Interview, also zumindest schriftlich. Aber das habe ich bisher auch nur einmal erlebt, in einem Sonderfall.
Ohne Interview geht das nicht.
Daraus schreiben wir dann die Case Study. Dann natürlich hatte ich auch schon Kundenanfragen, die gesagt haben, ja, das mit dem Interview, das machen wir dann (ohne den Kunden). Wir wissen auch, wie das gelaufen ist. Und wir müssen dann nur noch ein paar Zitate dann aus dem Unternehmen holen. Die sind einverstanden, aber da holen wir dann nur noch ein paar Zitate, die man dann einbauen.
Und man sieht auch ganz viele Case Studies, wenn man im Internet sucht nach Studies. Der Großteil der Case Studies ehrlich gesagt, das sehe ich auf zwei, drei Blicke, dass das wahrscheinlich eine Geschichte ist, die der Anbieter selber geschrieben hat. Dann hat er sich noch ein paar Zitate rein geholt.
[20:08.29] – Katrin Klemm
Plauderst du aus dem Nähkästchen, woran erkenne ich das? Du als Profi erkennst das, würde ich das auch erkennen?
[20:14.68] – Andrea Bernard
Ich glaube, du würdest das auch erkennen, weil du einfach merkst, dass die Zitate nicht zur Geschichte passen. Dass die Geschichte im Prinzip, dass die Zitate auch zu viel zu allgemein sind. Die klingen wie eine Kundenstimme. “Kooperation war super”. Vielleicht steckt auch noch irgendein Erfolg mit drin, aber es erzählt nichts Echtes aus dem Prozess.
Gefakte Stories: Menschen werden nicht gefragt.
Die Zitate, die drin sind, sind nicht konkret aus einem ganz kleinen Detail. Wenn man die gesamte Geschichte liest, merkt man auch, dass die Geschichte geschrieben ist, ohne dass Personen erwähnt werden und wie die dann in der Zusammenarbeit, wie das funktioniert hat.
Die Menschen dahinter fehlen in den Geschichten und die müssen ja auch fehlen, weil sie ja nicht gefragt wurden. Ja, und deswegen bei einer Case Study, ich will auch immer, dass beim Kunden ich mindestens zwei Personen im Interview habe. Ich bin der totale IT-Nerd. Was mich noch viel stärker interessiert, sind die Menschen dahinter, wie die mit der Technologie umgehen, wie die frustriert sind oder wie sie glücklich sind.
Wie ihnen die IT in ihrem täglichen Leben hilft und diese Geschichten will ich in den Case Studies haben. Und die hast du nur, wenn du ein Interview führst und wenn du die anderen Case Studies liest, dann sind die, da sind einfach nur die Fakten aneinandergereiht.
Ja, und wenn dann noch ein, zwei Zitate drin sind, die mit den Fakten, die einfach so herausgelöst sind, dann weißt du eigentlich schon, dass da kein Interview stattgefunden hat. Das zieht die Menschen nicht mit.
[21:50.41] – Katrin Klemm
Auch hier bin ich gerne bereit, eine von meinen Geschichten zu teilen. Es ist ja so ein bisschen, Missgeschicke, Krisen, Rückschläge, die gehören zum Leben wie die Erfolge, wie die Highlights, wie alles andere. Das ist das Leben, das ist Ebbe und Flut, das ist hell und dunkel.
Meine Tanztrainerin sagte immer, wenn ihr im Walzer eine schöne Pose haben wollt, müsst ihr vorher tief ins Knie gehen. Wir lernen aus Fehlern. Ich sage dann immer, über sieben Brücken musst du gehen.
Zum Beispiel lade ich als Life Story Coach, die Klientinnen immer dazu ein, Termine mit sich selber zu machen, Zeit für sich selbst einzuräumen, zu sich selbst auch mal besonders freundlich zu sein. Bei mir sind das nicht sieben Brücken, bei mir sind das eher siebzig!
Ja, also was ich schon alles ausprobiert habe, um zu sagen, wie bekomme ich es hin? Eine richtig schöne Balance, weil ich ja alle Tools probiere, die ich meinen Kundinnen vorstelle. Ich muss die erst selber ausprobiert haben, sonst kann ich nicht sagen, ob es funktioniert.
Und von diesen gescheiterten Versuchen – ich habe in 14 Tagen wieder eine Veranstaltung mit meiner LifeStory-Community in Hamburg, wo es genau darum geht – erzähle ich wirklich ganz offen, was habe ich ausprobiert, was war daran gut? Wie habe ICH es vermurkst.. Denn eine andere Teilnehmerin könnte ja mit dem gleichen Tool super Erfahrungen machen.
Weg mit der Scheibengardine
Ich bin da nicht mehr hinter der Scheibengardine. Wenn ich mit meiner Geschichte echt – wenn ich wahrhaftig bin, dann ziehe ich diese Scheibengardine zur Seite. Ich putze mein Fenster, und Menschen, die dann draußen vorbeigehen dürfen mich sehen.
[24:14.30] – Andrea Bernard
Genau, wie Rotkäppchen eben erst durch den Wald muss. Der Wolf muss erst die Großmutter fressen und der Jäger muss erst helfen, damit wir praktisch mit der Story auch mitleben. Natürlich kann man so was jetzt zum Beispiel in so einer Case Study von einem Kunden natürlich nicht in voller Dramatik darstellen.
Was oft dramatisch ist tatsächlich, ist das “Davor”. Also, dass der Kunde, bevor er dann diese Lösung gefunden hat oder dieses Produkt eingesetzt hat, große Probleme hatte, ja. Und lange gesucht hat oder irgendwie eine interne Lösung hatte, wo die Excel-Tabellen und die Zettel rumflogen und das ging irgendwie gar nichts mehr.
Aber während der Zusammenarbeit da dann auch Hürden aufzuzeigen, ist natürlich immer so ein bisschen schwierig. Weil, im Gespräch kommt es durchaus. Aber es dann tatsächlich auch in die Geschichte zu schreiben und dann auch tatsächlich zu sagen, ja, das, wir sind da gemeinsam durchgegangen und wir haben da gut rausgefunden, wie du sagst…
Da finde ich, ist die Rolle eines externen Copywriters besonders wichtig, dann zu sagen, doch, tut es rein, das ist gut. Ihr zeigt ja, wie toll das gelaufen ist und so weiter. Es ist ja auch nichts, wo ihr jetzt irgendwie, was weiß ich, wo wir irgendwie schlecht dasteht oder so.
Die Copywriterin zeigt Licht UND Schatten
Das ist eine meiner wichtigsten Rollen, dafür zu stehen, dass das Hoch und Tief, dass Licht und Schatten mit reinkommt. Natürlich in Maßen, weil, es ist ein Marketingtool, ganz klar Case Studies.
[25:54.49] – Andrea Bernard
Martina schrieb vorhin: “Wie mal jemand gesagt hat, man muss jemandem die Wahrheit nicht wie einen nassen Waschlappen ins Gesicht klatschen.”
[26:10.16] – Katrin Klemm
Schön gesagt. Das nehme ich auch mit. Den nassen Waschlappen und die Scheibengardine sind schon mal zwei meiner Takeaways heute, danke Martina.
[26:17.89] – Andrea Bernard
Ich sehe auf LinkedIn manchmal auch so Geschichten, wo dann so ganz am Ende kommt: Was lernen wir jetzt daraus? Oder was will ich dir damit sagen? Und dann kommt so ganz plakativ.
Lass den Leser selbst entdecken
Oftmals will der Leser das selber entdecken, der will selber irgendwie die Schlussfolgerung daraus ziehen und man muss sie irgendwie andeuten. Aber man muss sie nicht immer schwarz auf weiß hinschreiben, finde ich.
[26:45.16] – Katrin Klemm
Hm, ja, man könnte jetzt als Takeaway sagen, und jetzt tue ich genau das, was du nicht willst. Man könnte jetzt als Takeaway sagen, wann immer das Leben dir in den Hintern tritt, du kannst auf jeden Fall noch eine gute Story daraus machen.
Wie transparent sind wir mit unserer Story
[27:33.18] – Katrin Klemm
Wir sind Menschen. Wir sind noch nicht künstliche Intelligenzen und wir haben Gefühle und wir haben Ängste, was der Mensch halt so hat. Das heißt, warum sind wir manchmal so ein bisschen intransparent? Weil wir befürchten, uns könnte was Schlimmes passieren. Ja, auch da, kleine Übung setz dich hin und schreibt die zehn schlimmsten Dinge auf, die dir passieren könnten.
Die andere Seite ist, wir versuchen ja mit unserer Geschichte etwas zu erreichen, oder? Wir versuchen ja durch Intransparenzen zu verbergen, dass wir auch irgendwo einen kleinen Haken haben. Wir befürchten, dass unsere Hoffnung, dass wenn wir uns nicht so strahlend da draußen darstellen, dass wir dann nicht kriegen, was wir wollen. Aber ich meine Leute, Menschen, die meisten Menschen, sind nicht doof. Man spürt es ja häufig, dass das da etwas nicht stimmt.
Wir spüren, wenn da was nicht stimmt.
[28:37.93] – Andrea Bernard
Ja, absolut. Zumindest nach sehr kurzer Zeit dann. Die Enttäuschung ist umso größer. Und ich habe das jetzt auch gerade in dem Buch von Seth Godin gelesen: “All Marketers Lie, All Marketers Tell Stories”. Also alle Marketing Experten oder Fachleute lügen bzw. erzählen Geschichten.
Er sagt eben, wenn man mit einer guten Geschichte jemanden sozusagen dahin trickst, dass er ein Produkt kauft oder so, was sich dann als falsch herausstellt, also als falsches Versprechen, dann ist die Enttäuschung und das negative Feedback und der Backlash umso stärker.
Das ist die schlimmste Art von Marketing, Leute mit solchen Sachen über den Tisch zu ziehen. Und da aber den, ich sage mal, da den Unterschied zu finden oder da, ne, wie erzähle ich eine Geschichte über ein Produkt, die toll ist und die die Leute mitreißt und die trotzdem mit dem Produkt stimmig ist, ja. In dem Sinne wahr. Das ist, glaube ich, die hohe Kunst.
Zum Beispiel, wenn man jetzt, die häufigste Frage meiner Kunden, wenn Sie eine Case Study über einen Ihrer Kunden schreiben wollen, ist ja: Wie kriege ich meinen Kunden dazu, ja zu sagen? Und da ist ganz oft so, je größer das Unternehmen ist, umso schwieriger ist das. Weil eben die Rechtsabteilung mit dabei ist, die PR-Abteilung und weil eben bestimmt auch solche Fragen eine Rolle spielen. Wie echt können wir sein? Was können wir nach draußen geben?
Das ist wirklich eine gute Frage. Ich glaube aber, dass auch wir, dass auch Freiberufler und kleine Unternehmen sich die gleichen Fragen stellen. Auf jeden Fall.
… eine Nachricht von Petra (Sammer) …,dass Case Studies meist so langweilig sind.
“Ja, suuper langweilig, weil sie meist viel zu langatmig die Lösung anpreisen. Niemand schaut sich einen Film an und guckt 100 Minuten lang Lösung.”
Genau. Das nehme ich mir noch mal ganz stark zu Herzen, Petra, Ja. Das ist natürlich immer ein Spagat, finde ich auch, zwischen mir, meinem Kunden und dem Endkunden, der vorgestellt wird. Wie können wir die Geschichte so machen, dass alle glücklich sind und dass sie spannend ist für den Leser?
Gleichzeitig muss ich auch sagen, manchmal sagen Leute, das ist jetzt super spannend, weil sie genau nach dieser Lösung gesucht haben, weil sie der Leser sind, weil sie der Leser sind, der darüber nachgedacht hat, der dieses Problem hatte, der so eine Lösung gesucht hat und der dann sagt… Und die lesen jedes Wort. Vor allen Dingen die Deutschen habe ich immer das Gefühl. Im Amerikanischen ist es immer eher, da wollen die Leute mehr die Gefühle, “it’s awesome”. Und die Deutschen wollen immer die Zahlen und die Fakten über die Lösung sehen.
…
[33:20.81] – Andrea Bernard
Ich habe jetzt hier von Marcus: “Die eigenen Grenzen in klarer Haltung zu den eigenen Stärken in der Beratung kann gerade gut sein, weil es ja immer auch um Vertrauen geht.”
Vertrauen! Das ist so ein wichtiges Wort.
“Gerade in Unternehmen, die sich in einem Problem outen.” Ja, genau. Aber auch Vertrauen aufbauen. Case Studies sind da eines der Tools, um Vertrauen aufzubauen, zu den potenziellen Kunden. Genau.
[33:42.98] – Katrin Klemm
Frage: Bekommst du denn eigentlich mit, wenn du abgeliefert hast, die Case Study. Ist dann bei dir der Prozess zu Ende? Kriegst du noch Infos, wie dann die Adressaten der Case Study auf die Case Study reagieren?
[33:59.45] – Andrea Bernard
Also leider noch zu wenig, wobei ich da auch noch zu wenig hinterher bin. Ich müsste ja eigentlich praktisch auch Case Studies über meine Case Studies sammeln, also meine Kunden immer wieder fragen, was hattet ihr denn für Erfolge damit? Wie viel Kunden habt ihr gewonnen?
Ich habe das mal gemacht und dann auch gehört, dass zum Beispiel eine Kundin von mir – sie ist Marketingberaterin – sie hat dann dank der Case Study, die wir gemacht haben, eine neue Beratungskundin gewonnen, die auch tatsächlich mir auf LinkedIn geschrieben hat: “Ich habe jetzt dank der Case Study, das war so anschaulich, jetzt auch diese Beratung in Anspruch genommen.”
Bei größeren Unternehmen höre ich es selten. Aber ich habe natürlich schon auch viele Kunden, die regelmäßige Kunden sind, die immer wieder Case Studies machen wollen. Und da frage ich dann auch immer wieder nach und die erzählen mir dann auch, “Die Case Study ist super angekommen. Wir haben jetzt andere Kunden dadurch.”
Oder, auch ganz oft, “Wir haben jetzt mit dem Kunden, der in der Case Study gefeatured wurde, noch mehr gemacht, das hat sich noch mehr vertieft. Diese Bindung zwischen uns, und die haben uns jetzt noch für andere Sachen angefragt und wir sind uns sicher, das wäre nicht so gewesen und mit so viel Begeisterung, wenn wir nicht diese Case Study gemeinsam gemacht hätten.”
[35:20.69] – Andrea Bernard
Wie ist das bei dir, wenn deine, wenn deine Kundinnen praktisch ihre Geschichten, ihre Storys finden, ihre Life Story finden? Hörst du dann auch darüber, was sie damit gemacht haben, was ihnen das gebracht hat? Machst du Case Studies über deine Kunden?
[35:38.15] – Katrin Klemm
Das habe ich bisher außer einem sehr persönlichen Interview mit einer Teilnehmerin noch nicht getan. Aber man sieht es ja gerade an dem, was ich jetzt für das letzte Jahr in Portugal gemacht habe. Ich habe mich zum ersten Mal getraut, den Frauen ein Mikro unter die Nase zu halten und gesagt, “Komm, lass mal reden”. Und ich bin sehr, sehr erstaunt, was Teilnehmerinnen auch mitgenommen haben.
Und der zweite Aspekt ist, so eine Life Story hat einen Tag davor, dann geht es ins Prototyping am Ende der Zeit, in der wir zusammen arbeiten gibt es einen Tag, an dem die Prototypen ausgewertet werden. Das sind dann zum Teil schon kleine Case Studies. Wenn ich also als Teilnehmerin festgestellt habe, so wie ich mir das vorgestellt habe mit dem Leben, das funktioniert gar nicht, muss ich noch mal nachschärfen.
Also wir lernen sehr viel durch das Erzählen dieser Geschichten. Außerdem biete ich immer an, ich baue so eine ganz kleine minikleine feine Community auf und wir treffen uns dann noch so viermal im Jahr, um wirklich dran zu bleiben, wie entwickelt sich die Geschichte weiter?
Ich nenne das auch in der letzten großen Einheit so, lass uns ein “Sequel” schreiben. Ich nehme mir dann Rocky zum Vorbild. Kein Mensch hat gedacht, dass es nach dem ersten Film einen zweiten, dritten und so weiter gibt. Damit lade ich wirklich ein, auch über die Grenzen des Jahres hinweg zu schauen und so weiter. Und da bekomme ich sehr klare Rückmeldung. Ist mir wichtig.
Mir ist dieser echte menschliche Kontakt einfach wichtig.
[37:09.96] – Andrea Bernard
Hm, absolut ja. Macht dann ja auch das, wie soll ich sagen, auch wieder das Authentische aus. Dass du wirklich daran interessiert bist, dass du die Empathie hast, dass du wirklich praktisch deine Kundinnen dazu bringen willst, ihre Geschichten zu finden und damit im Leben weiterzukommen.
[37:26.42] – Katrin Klemm
Das ist Transparenz hinsichtlich Produktkommunikation und so. Lass uns die Frage erweitern:
Wie transparent bin ich denn mir selbst gegenüber?
Wie viele blinde Flecke habe ich? Wie echt bin ich mir selbst gegenüber? Ist es echt? Ist es wahrhaftig, wenn ich einfach sage, ich sehe, da wäre was zu bearbeiten? Und ich schiebe weg. Kann genauso echt und wahrhaftig sein, weil es vielleicht zu wehtun würde. Oder ist es wahrhaftig, dass ich sage, oh my god, Pandoras Box? Na dann, Deckel auf und wir schauen mal, was passiert. Genaus das mag ich einfach so an den, ja, an den echten Geschichten.
[38:18.25] – Andrea Bernard
..Katrin, man erzählt über sich selber Geschichten. Hilft es nicht, und das ist ja auch deine Arbeit mit deinen Kundinnen, wenn du jemand hast, der dir die Fragen stellt, der da ist, der dir zuhört, der von außen praktisch dich da anregt. Das hilft doch, oder?
[38:38.89] – Katrin Klemm
Ja, ich bin auch wieder beides. Ich bin ein enorm freundlicher Mensch, und gleichzeitig ich bin ein Mensch, der sehr klar auf den Punkt kommt. Und ja, es hilft. Es hilft, sich nicht zu verstecken.
Es hilft, mutig hinzuschauen.
Auch da wieder, keine Rotkäppchen-Geschichte ohne Wolf. Wo ist mein Wolf? Und warum bringt’s mir jetzt was, den entweder an die Leine zu nehmen oder zu sagen, ja, dann friss doch die Großmutter! Ich befreie sie dann. Ja, natürlich und klar, es macht auch viel mehr Spaß.
[39:12.05] – Andrea Bernard
Ja, wir brauchen die Resonanz. Wir brauchen jemanden, der zuhört und der Resonanz gibt. Zum Beispiel gab es ganz tolle Räume auf Clubhouse, wo jemand was erzählt hat und dann eine Resonanz kommt von der anderen Seite. Wo man ein Feedback bekommt zu dem, was man gerade gesagt hat. Und dann geht es zur nächsten Geschichte weiter. Das finde ich unglaublich wichtig.
[39:34.58] – Katrin Klemm
Für wen zahlt es sich aus, dich als Case Study Copywriterin zu engagieren und bei wem würdest du sagen, das bringt uns beiden nix?
[39:54.26] – Andrea Bernard
Also ich finde jeder oder jede. … Also jeder, der Kunden hat und der sagt, ich hätte mindestens einen Kunden, wo ich sage, da gibt es eine Geschichte zu erzählen, der Kunde war glücklich. Ich weiß vielleicht noch nicht, was die Geschichte ist, aber da habe ich wirklich was erreichen können. Da habe ich gesehen, dass meine Dienstleistung, mein Produkt was bringt. Jeder dieser Menschen, finde ich, könnte und sollte solch eine Case Study schreiben.
Und ich komme an der Stelle rein, dass ich sage, ich kann in mehrerlei Hinsicht helfen. Zum Ersten kann ich dem Unternehmen oder dem Freiberufler klar machen, was könnte deine Geschichte sein? Welcher Kunde könnte das sein? Ich gucke von außen auf deine Produkte drauf. Ich stelle die Fragen, die vielleicht auch ein potenzieller Kunde stellen würde. Ich bin nicht betriebsblind.
Und ich helfe dir auch bei der Auswahl des Kunden, den du vorstellen möchtest. Ich habe früher als Journalistin gearbeitet, dann als Unternehmensberaterin in der Marktforschung. Das heißt, ich habe sie in mir jahrelang eben diese Begeisterung, wie man Interviews führt.
Und zwar nicht wie ein Interview, also Frage 1, Frage 2, Frage 3, sondern als Gespräch. Das ist mein Herzblut. Ich kann dafür auch einen Leitfaden entwickeln, den ich daneben liegen habe und wo der andere trotzdem nicht merkt, dass ich da Fragen vor mir liegen habe. Das hilft total.
Es hilft auch sehr, dass ICH die Fragen stelle, dass ich diesen Kunden interviewe, weil es immer schwer ist, dem direkten Anbieter, mit dem man zusammengearbeitet hat, direktes Feedback zu geben.
Selbstlob ist schwierig.
Jetzt zu sagen, oh, das ist so toll mit dir gelaufen. Das ist viel einfacher, wenn ich das einer dritten Person erzählen kann. Aber auch Sachen, die vielleicht schwierig gelaufen sind. Oder zum Beispiel auch die Frage, als du diesen Lösungsanbieter gewählt hast, was waren vielleicht auch deine Zweifel vorher oder solche Sachen auch zu sagen.
Es bleibt alles vertraulich und was in die Geschichte am Ende reinkommt, wird auch gemeinsam entschieden. Du hast das letzte Wort. Du kannst erst mal ganz frei erzählen.
Dann habe ich natürlich auch den Vorteil, dass ich weiß, wie man so eine Geschichte anschließend schreibt. Es kommen ja ganz viele Fakten zusammen. Man könnte wahrscheinlich zehn Geschichten erzählen, aber man muss sich auf eine Geschichte konzentrieren.
Komplexe Lösungen sind immer sehr gut, weil die schwer zu erklären sind oder auch Beratungslösungen, weil auch da schwer von außen zu sehen ist, wie läuft dieser Beratungsprozess? Solche Sachen eignen sich natürlich ganz besonders für eine Case Study.
[43:38.18] – Katrin Klemm
Also das heißt, wenn es schwierig zu erklären ist und ich gleichzeitig aber bereit bin, auch über Zweifel, über Gedanken, die man nicht so auf dem Tablett vor sich herträgt, nachzudenken. Ich denke gerade an einen Film. “Guck mal, wer da spricht.” Ich würde jetzt wieder sagen: ” Scheibengardine weg!”. Und dann machen wir aus dem Film “Guck mal, wer da ist oder guck mal, wer das ist.” Dann wird’s was.
[44:05.78] – Andrea Bernard
Ja, was waren auch die Zweifel vorher vielleicht? Wie man das dann schreibt, ist eine andere Frage, wie man das darstellt. Warum habe ich diesen Anbieter gewählt? Was hat mich dann überzeugt? Denn sonst wäre ich heute nicht hier und würde diese Geschichte erzählen. Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen? Wie haben wir gemeinsam Hürden gemeistert und was hat mir das gebracht?
Eine Case-Study ist keine Werbebroschüre.
Das Ganze wird journalistisch geschrieben, nicht werberisch. Es ist keine Werbebroschüre. Auch das ist ein wichtiger Punkt von mir. Ich gebe dann die Case Study meinem Kunden und der tut dann die ganzen Buzzwords wieder rein. “Und über die Lösung müssen wir jetzt hier, da müssen wir die ganzen Features noch mit reinschreiben.” Und ich sag dann: “Nein, das ist keine Werbebroschüre, das ist eine journalistische Geschichte”.
Aber ich sehe, wir sind gerade, Wahnsinn, wir haben schon wieder 45 Minuten gesprochen, Katrin. Der Hammer! Und wir haben noch so viele Kommentare. Ich glaube, wir könnten noch zwei Stunden reden, aber ich merk auch schon, dass meine Stimme langsam versagt.
[45:06.43] – Katrin Klemm
Da müssen wir uns noch mal was Neues ausdenken!
Also das muss ich sagen. Es ist unglaublich, wie inspirierend eure Kommentare sind zum Weitermachen, Nachdenken, zum Antworten, zum neue Fragen spinnen. Ja, ich bin total fasziniert.
[45:48.67] – Andrea Bernard
Ja, stimmt da hat Petra auch recht, “Viele Case Studies werden nur geschrieben, weil der Auftraggeber sich selbst loben will.” Ich finde ja immer besser, wenn der Auftraggeber den Kunden lobt. Der Kunde ist der Held, sage ich immer.
“Storytelling ist immer Inszenierung.” Ja, natürlich. Klar. “Man wählt Bausteine aus.” Natürlich. Ja. Absolut. Ja.
Das ist richtig. Sonst müssen wir Blair Witch gucken, den Film “Blair Witch”. Ich weiß nicht, ob du den kennst, Katrin. Der hat ja ganz stark, einfach mit der Kamera drauf und in den Wald und so. Das war natürlich auch inszeniert, wirkte aber sehr, sehr, sehr spontan.
Katrin, hast du zum Abschluss noch was, was du den Zuschauern mitgeben möchtest, was dir wichtig ist, was du nochmal raushauen möchtest?
[46:50.33] – Katrin Klemm
Ich bleib bei der Scheibengardine. Es lohnt sich. Es lohnt sich, dieses Ding ab und zu mal wegzuziehen. Es ist in Ordnung, wenn man es ab und zu mal da hängen lassen will, weil man nicht in allem gesehen werden will. Es ist nichts falsch und es ist nichts richtig.
Für mich ist Wahrhaftigkeit wirklich ein großes Gut.
Probier’s aus. Auch wenn es mal schiefgehen kann. Wie gesagt, wenn dir das Leben in den Hintern tritt, haste immer noch eine gute Chance, eine Geschichte draus zu machen.
[47:29.85] – Andrea Bernard
Richtig. Ich denke auch immer, echt ist etwas oder wahrhaftig ist etwas, was man nicht erklären kann. Aber man kann es spüren, wenn man es sieht.
Genau, die Scheibengardine, die bleibt jetzt auch für immer in meinem Gedächtnis.
Katrin, ich danke dir. Ich danke euch allen auch, dass ihr da wart. Ich brauch jetzt, glaube ich, eine Kanne Tee und ein Lutschbonbon. Das war super. Vielen, vielen, vielen Dank.
[48:03.04] – Katrin Klemm
Sehr, sehr gern. Es hat mir viel Spaß gemacht. Bis bald.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!