Komfortzone? Wie du ihre Grenzen sprengst.
Der Sommer 2013 war die richtige Zeit für ein Abenteuer. Ich hatte Lust die Grenzen der einen oder anderen Komfortzone zu sprengen… Heute zaubert mir diese alte Story ein Grinsen ins Gesicht.
Ich hatte es getan. Hatte es riskiert. Und muss sagen, es war nicht der leichteste Tag in meinem Leben. Doch hinterher war ich stolz drauf wie Bolle. Endlich war meine höchstpersönliche Komfortzonengrenze gesprengt. Ob es sich gelohnt hat? Tja …
Wie gut kennst du deine Komfortzone?
Ja genau – diese mentale Kuschelecke, in der wir uns wohl und behütet fühlen. In deren gepolsterten Grenzen wir uns behaglich eingerichtet haben, wie in einer gut belüfteten, blumenmustertapezierten Gummizelle mit Roomservice. It’s safe babe.
Nein – kein Wort gegen Komfortzonen. Sie besitzen vorbehaltlose Berechtigung für jede von uns, der ihre Sicherheit lieb und teuer ist. Sie beschützen uns vor der Gefahr, unsanft zu landen, falls wir plötzlich Lust auf‘s Gleitschirmfliegen bekommen. Sie bewahren vor potentiellem Spott der Welt, beim Drang ad hoc eine flammende Rede zum Schutz der Pandas auf dem Rathausmarkt loszulassen. Auch frustrierenden Anfällen von Selbstmitleid, a la „Siehste, hab’s doch gleich gewusst, der Chefposten ist einfach eine Nummer zu groß für dich“, verwehren Komfortzonengrenzen den Zutritt. Sie bilden unser zuverlässiges Bollwerk gegen all die niederträchtigen Reaktionen, die uns drohen, sobald wir uns ungefragt auch nur einen Zentimeter zu weit aus dem Fenster lehnen.
Doch leider haben Komfortzonengrenzen Löcher…
Vielleicht nur so zart wie die hauchfeinen Poren einer Vierzehnjährigen, aber immerhin.
Bei mir war es der verlockende Duft von Car2go, der hier durchsickerte. Monate vorher hatte ich das eigene Auto abgeschafft und war seither ganz begeistert von der flexiblen Art, mich durch die Stadt zu bewegen. Die flotten Flitzer gab’s im Zugriff (fast) immer und überall in der City. Nur einen Nachteil hatte das Ganze: ich war gezwungen, immer vom Schreibtisch meines Homeoffice zu ordern. Mein freundliches zuverlässiges Moby konnte keine Apps. Und beim Zugriff übers Internet brach ich mir regelmäßig die Augen. Andere zückten nach coolen Events, Theater oder Workshops einfach ihr Smarty und schon kamen sie unkompliziert, bequem und günstig nach Hause.
Mein Selbstbild stand felsenfest – moderne, technisch ausreichend begabte Frau von heute mit großer Neugier auf coole Tools. Doch den Umstieg vom Mobil- auf das Smartphone schob ich seit Monaten vor mir her. Denn es funktionierte doch noch hervorragend. Ich konnte alles damit tun, was ich brauchte – reden, schreiben, zuhören, fotografieren (na gut, die Qualität war nicht mehr so der Hit)
Wann bist du zuletzt deinem Komfortzonengrenzen-Spreng-Meisterlein begegnet?
Du kennst sie auch, diese fiesen winzigen Sensoren, die seismografisch registrieren, dass wir irgendwie feststecken. Zwar sind wir noch nicht bereit, den nächsten Schritt zu gehen, aber irgendwie auch nicht mehr rundum happy. Es könnte sich um dein persönliches Komfortzonen-Sprengmeisterlein handeln, wenn
- du schnell genervt, rasch gelangweilt oder nie zufrieden bist
- deine Gedanken ständig um ein „man müsste mal“ kreisen
- das „was wäre wenn“ immer häufiger als Gast am Frühstücktisch hockt
- du dich häufiger bei scheelen Blicken auf all jene erwischst, bei denen Dinge einfach smarter funktionieren
Natürlich ist was dran am Sprichwort „Better the devil you know“, alternativ: das Mobiltelefon, das dir vertraut ist. Hat ja keine Eile mit der Veränderung. Nur hat die kuschelige Komfortzone leider zwei klitzekleine Nebenwirkungen:
- Die akute Gefahr, geistig zu verfetten – dann wird es irgendwann nur noch langweilig.
- Das Risiko, dass das Leben selbst einem in den Hintern tritt und man dann nicht mehr wählen kann.
Mich hat Nummer Zwei erwischt. Mein treues Moby trat in den Display Streik. Zunächst kein Problem – die Jahre im Projektmanagement haben mich an Workarounds gewöhnt. So lange ich das Gerät nicht zuklappte, konnte ich noch die Hälfte der Inhalte erkennen. Benutzte ich es wie gewohnt, war eine Neueinwahl fällig. Und die Car2go App wollte ich immer noch. Und dass der Kollege mit Smarty das verrückte Straßenschild auch gestochen scharf knipsen konnte, wenn er keinen Fotoapparat dabei hatte, wurmte mich langsam immer mehr.
Na, Lust bekommen, deine Komfortzonengrenze zu sprengen?
So geht’s in fünf überschaubaren Schritten
Schritt 1: Nimm all deinen Mut zusammen und wage ein Experiment.
Binde in Gedanken deine Zweifel an einen Luftballon und lass sie fliegen. Besonders Sicherheitsbewusste nutzen zum Anbinden die nächste Straßenlaterne. Da kannst du sie hinterher wieder abholen (falls du sie noch brauchst). Tun so, als könntest du schon alles, was du brauchst. Nur für eine Stunde oder einen Tag. Keiner sagt, dass es perfekt werden muss.
Ich lieh mir für ein paar Stunden das Smarty der Freundin, nur um zu testen. Selbstverständlich hielt ich mich strikt an ihre Ansage, was mir tun erlaubt und was verboten ist. Sie ist mutig und erlaubt viel, verbietet wenig. Also probierte ich – war schon ungewohnt mit all der Wischerei über das Display. Ein Anruf kam rein. Ich wurde nur ein winziges bisschen panisch, als ich nicht sofort wusste, wie ich den annehmen soll. Aber sonst ging’s mir gut.
Schritt 2: Parke alle Ausreden, die dich davon abhalten, etwas Neues auszuprobieren.
Stelle dir eine hübsche Box auf. Brummt eine Ausrede in deinem Kopf herum, höre zu, schreibe sie auf und verstaue sie in der Box. Für alle Designverliebten gern hübsch verknotet mit Bändchen. Den Pragmatikerinnen reicht eine Büroklammer. Rein in die Box. Deckel zu. Nur für einen Tag. Wenn du willst, darfst du sie morgen gern alle wieder rausholen.
Ich hätte, sollte, müsste doch – eine Liste, was das Smarty alles können soll, Preisvergleiche, technische Daten, jetzt bloß keinen Fehler machen, den Vertrag wirst du erst in 24 Monaten wieder los. Bla, bla und bla, ich weiß, wovon ich spreche. Meine Box ist blau und ich bin der Büroklammertyp. Farbige Büroklammern.
Schritt 3: Triff einen ganz neuen Menschen.
Denn die, die du schon gut kennst, werden dich eher auf deiner Komfortzonencouch festdübeln als dich da runterzuholen. Menschen, die ein bisschen anders, wilder, unbequemer sind als du selbst, geben einen guten Turbo für deinen Grenzübertritt ab.
Wild entschlossen stürmte ich in den Telefonshop. Handyverkäufer gehörten sonst eher nicht zu meinem bevorzugten Umgang. Ich begegnete ihnen verhalten misstrauisch. Denn sobald sie technikverliebt und superschlau auf mich herablächeln, komme ich mir uralt und technisch vollkommen unterbelichtet vor. Da musste ich durch. Beim dritten Shop funktionierte es. ‚Mein‘ Mr. Smartphone-Man war jung, freundlich und hörte meinen Wünschen geduldig zu. Peinliche Wissenslücken half er mir souverän zu überspielen. Er sprach eine klare Empfehlung aus und begründete sie einleuchtend. „Whow“, dachte ich. „Den würde ich mir gern als leuchtendes Beispiel für meine Trainings ausleihen. Trotzdem gehe ich nochmal mit Moby und ohne Smarty nach Hause. Ich musste wohl Abschied feiern.
Schritt 4: Schau dir die Dinge vor denen du dich fürchtest genau an.
Dann kalkuliere dein Risiko und entscheide, wie viel du auf‘s Spiel setzen kannst und willst. Alles andere steht nicht zur Debatte. Spielgeld ist Spielgeld und der Rest bleibt im Safe.
Der Tag der Entscheidung. Ich war bereit zur Trennung, ein für alle Mal. Akzeptiert. Doch zwei Tropfen Angstschweiß zierten meine Stirn bei dem Gedanken, durch den Umstieg auf das neue Gerät meine gut sortierten Kontaktdaten zu verlieren. Mr. Smartphone-Man hatte mir angeboten, den Datentransfer im Shop zu probieren. Hatte mir trotzdem erklären lassen, wie ich selbst diese kostbaren Schätze sichern kann. Das hat zu Hause wunderbar funktioniert. Doppelt hält besser. Auf all den Spielkram aus Mobys Tiefen – alte Bilder und Podcasts war ich bereit zu verzichten. Kaum erwähnenswert, dass natürlich alle Daten – auch die Spieldaten unbeschadet auf Smarty gelandet sind. Uff.
Schritt 5: Streiche Vorbehalte, die du gegen neue ungewohnte Wege und Menschen hast jetzt ganz bewusst. Bleibe neugierig, was du außerhalb der Komfortzone noch entdecken kannst.
Nun hatte ich ein Smartphone – und konnte immer noch reden, schreiben, zuhören, fotografieren (die Qualität ist eine Wonne). Statt mich vor Mr. Smartphone-Man zu blamieren hatten wir uns nicht nur großartig unterhalten, sondern ich hatte auch eine Menge dazugelernt. Und noch ein Wunder war geschehen. Meine kleine Schwester, die sich selbst den Technik-DAU der Stadt nennt, hatte gleich am nächsten Tag mit flottem Tippen, Halten, Wischen ein paar sinnlose Features meines Smartys eins-zwei-drei beseitigt. Und dann ganz nebenbei demonstriert, wie ich das Foto meiner Baby-Nichte aus einer Konversation in die Galerie verschiebe. Cool. Sie macht das einfach so. Und ich guck mir rasant alles ab.
Eins, zwei, drei war Smarty dann mit Websites und Terminkalender gefüttert (das war für mich 2013 noch absolutes Neuland). Doch seitdem ging Business deutlich fixer. Die erste App, die ich mir heruntergeladen habe? Car2go na klar
Für mich scheint der Sommer eine wirklich gute Zeit für Experimente zu sein. Schau mal im Sommer 2021.
Und wenn du mit deinem kleinen Komfortzonengrenzenspreng-Experiment jetzt schon so weit gekommen bist, nimm dir doch gleich die nächste Komfortzone vor. Verrätst du mir im Kommentar, was du dir als nächstes vornimmst?
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!